Wenn Paare Eltern werden

Wie Kinder die Beziehung verändern

Wenn Paare Eltern werden, leidet häufig die Partnerschaft. Bei der LBS-Familienstudie wurden 175 Paare über Jahre hinweg beim Weg in und durch die Elternschaft begleitet.

Autor: Petra Fleckenstein

LBS-Familienstudie mit 175 Paaren

Eltern Kind Bett
Foto: © panthermedia.net/ Ron Chapple

Ankunft des ersten Kindes verändert die Partnerschaft

Immer weniger Ehen halten wirklich ein Leben lang. 190 900 mal endete im Jahr 2006 ein "Bund fürs Leben" vor dem Scheidungsrichter. Dabei steigt die Zahl der Scheidungen von Ehen mit Kindern stärker als die von kinderlosen Paaren. Eine Studie ergab, dass nach der Geburt eines Kindes jede fünfte Ehe zu zerbrechen droht. Mit den Gründen und Lösungen für die wachsende Zahl zerbrochener Familien beschäftigen sich Politik und Wissenschaft – bislang, ohne den Trend stoppen zu können.

Dass die Ankunft des ersten Kindes die Partnerschaft grundlegend verändert, ist inzwischen weitgehend bekannt. Dennoch stolpern die meisten Paare unvorbereitet und ohne klare Vorstellung der Herausforderungen, die auf sie warten, in den neuen Lebensabschnitt. Was genau passiert nach der Ankunft eines Kindes? Was bedeutet das Kind für die Rollenverteilung der Partner? Wie wirken sich die neuen Rollen auf die Qualität der Partnerschaft aus und was hilft Paaren, die neue Situation gut zu bewältigen?

Diese Fragen stellte sich eine Gruppe von Wissenschaftlern, die im Auftrag der "LBS-Initiative Junge Familie" seit 1995 175 Paare auf dem Weg in oder durch die Elternschaft begleitete.

Wenn Frauen wieder zu Hause bleiben

Gleichberechtigung vor dem Kindersegen

In puncto Gleichberechtigung hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viel verändert. Zumindest im öffentlichen Bewusstsein herrscht inzwischen die Vorstellung von Partnerschaft als einer gleichberechtigten Gemeinschaft mit gerechter Aufteilung von Rechten und Pflichten vor. Solange Frauen und Männer keine Kinder haben, leben sie auch meist nach diesem Ideal. 79 Prozent der Frauen und 82 Prozent der Männer der LBS-Studie waren vor der Geburt des ersten Kindes berufstätig. Auch bei der Einkommensverteilung herrschte ein weitgehendes Gleichgewicht: Die meisten Frauen und Männer verdienten je zwischen 1000 und 1500 € im Monat. Bei der Hausarbeit gab es zwar bei den nach wie vor typisch weiblichen Tätigkeiten wie Waschen und Bügeln bereits vor der Geburt des Kindes ein deutliches Ungleichgewicht. Dennoch ist die Zahl der gemeinsam erfüllten häuslichen Arbeiten noch relativ hoch.

Mann am Arbeitsplatz, Frau wäscht und bügelt

Mit der Geburt des ersten Kindes kommt es jedoch zu einer drastischen Umverteilung der Aufgaben, die wieder der traditionellen Rollenverteilung entspricht. Drei Jahre nach der Geburt des ersten Kindes ist jede zweite Frau der untersuchten Gruppe erwerbslos. Auch bei der Verteilung der Wochenarbeitszeit zeigen sich die neuen alten Rollenmuster: Eineinhalb Jahre nach der Geburt des Kindes liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Frauen unter zehn Stunden, während sich die wöchentliche Arbeitszeit der Männer noch erhöht hat – auf über 40 Stunden. Damit geht auch eine Umverteilung der Hausarbeit einher. Tätigkeiten wie Waschen und Bügeln werden zu 81 Prozent von den Frauen alleine erledigt, nur 19 Prozent der Paare packen gemeinsam an, bei 0 Prozent der befragten Paare fallen Waschen und Bügeln ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Mannes. Ähnliches gilt für die Erledigung der Einkäufe, Kochen, Aufräumen und Putzen.

Mutter ist zuständig

Auch bei der Verteilung der Sorge ums Kind liefern die Untersuchungsergebnisse ein eher typisches Bild: Für nahezu alle Betreuungs- und Versorgungsaufgaben, die das Kind betreffen, ist entweder die Mutter alleine zuständig oder erledigt diese Aufgaben gemeinsam mit ihrem Partner. Es gibt kaum Aufgaben, für die der Vater alleine zuständig ist – außer das Kind zu baden und es fürs Bett fertig zu machen bzw. ins Bett zu bringen. Tätigkeiten, die nicht in direktem Kontakt mit dem Kind, aber doch zu seinem Wohle erledigt werden müssen – wie Kindersachen einkaufen, zum Kinderarzt gehen, Betreuung organisieren – fallen deutlich stärker in den Verantwortungsbereich der Mutter allein.

Folgen für die Partnerschaft

Berufsaussteigerinnen fühlen sich schlechter

Wenn vorher gleichberechtigte Paare plötzlich wieder in traditionelle Rollenmuster verfallen, bleibt dies für die Partnerschaft nicht ohne Folgen. Das Team um den Münchner Familienforscher Prof. Wassilios Fthenakis hat die beteiligten Familien nach ihrem Befinden während der Schwangerschaft, nach vier und nach 18 Monaten nach der Geburt des Kindes befragt. Es zeigte sich, dass Mütter, die bereits vor der Geburt des Kindes Hausfrauen waren, ebenso wie Wiedereinsteigerinnen in den Beruf, als auch Frauen, die kontinuierlich Beruf und Kind verbanden, eine Abnahme der Depressivität verzeichnen konnten. Ganz anders aber die Frauen, die ihre Berufstätigkeit zugunsten der Familie aufgegeben hatten. Sie erfuhren eine drastische Verschlechterung ihres Befindens.

Frauen wollen Hilfe bei der Hausarbeit

Eine Abhängigkeit des Befindens der Frauen - und in der Folge des Befindens beider Partner - zeigte sich auch von der Verteilung der Hausarbeit. Frauen leiden bei der Hausarbeit unter einer fehlenden Entlastung durch den Partner, und dies wirkt sich nicht nur auf ihr eigenes Erleben der Partnerschaftsqualität aus, sondern auch auf das des Mannes: "Die Abnahme der Zufriedenheit der Frau mit der Verteilung der Hausarbeit schlägt heftig durch auf das Partnerschaftserleben des Mannes. Je unzufriedener die Frau von der Schwangerschaft bis eineinhalb Jahre nach der Entbindung wird, desto deutlicher empfindet der Mann eine Zunahme von Streit und Konflikten, eine Abnahme der Zärtlichkeit und eine Abnahme der Kommunikation", heißt es in der Studie.

Wertschätzung und Anerkennung helfen

Sich plötzlich wieder hinter den Herd verbannt, vom Umgang mit Kollegen abgeschnitten zu sehen und auf berufliche Bestätigung und Anerkennung verzichten zu müssen, birgt Zündstoff für die Zufriedenheit in der Beziehung und kann zu dem Gefühl führen, ungerecht behandelt zu werden. Dies wiederum "untergräbt die Liebe und Wertschätzung für den Partner", heißt es in der Studie. Verschärft wird der schwelende Konflikt, wenn zur Umverteilung der Aufgaben auch noch fehlende Würdigung des Partners kommt. Und umgekehrt: Je stärker Männer die Leistungen ihrer Frauen in ihrer neuen bzw. konventionellen Rolle zur Kenntnis nehmen, desto weniger stark steigt deren Unzufriedenheit an.

Sprachlose Eltern – schwierige Kinder?

Schlechte Partnerschaft belastet Mutter-Sohn-Beziehung

Wenn zwischen Paaren Unzufriedenheit mit der Beziehung herrscht, wenn sie kaum mehr miteinander reden, selten Zärtlichkeiten austauschen oder häufig streiten, hat dies Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes – und zwar bereits in den ersten Lebensmonaten. Schon beim drei Monate alten Baby konnte ein deutlicher Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Schwierigkeit des Kindes – es schreit häufig, lässt sich schwer beruhigen, verlangt nach ständiger Aufmerksamkeit – und der Partnerschaftsqualität festgestellt werden. Besonders das Niveau der elterlichen Kommunikation hat weitreichende Folgen: "Je weniger die Partner miteinander reden, desto komplizierter ist das drei Monate alte Kind", heißt es in der Studie.

Auch beim dreijährigen Kind setzte sich dieser Trend fort. Eine mangelhafte Kommunikation zwischen den Eltern wirkte sich sichtlich ungünstig auf die soziale Entwicklung der Kinder aus: Es zeigte sich häufiger schlecht gelaunt, motorisch unruhig und zu Wutanfällen neigend. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich Konflikte der Eltern in erster Linie auf das Verhältnis zum gegengeschlechtlichen Kind auswirken. Das heißt: Eine schlechte Partnerschaft belastet die Mutter-Sohn oder die Vater-Tochter-Beziehung. Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen wäre, dass negative Gefühle und Einstellungen dem Partner gegenüber unbewusst auf das gegengeschlechtliche Kind übertragen werden.

Wege aus dem Dilemma

Die Ergebnisse der LBS-Familienstudie können als Impulse und Anregungen für die Ausrichtung der Familienpolitik dienen. Wenn die Abnahme der Partnerschaftsqualität und die hohe Scheidungsrate nach der Familiengründung mit dem plötzlichen Rückfall in traditionelle Rollenmuster zusammenhängen, ist die Politik gefragt, Familien bessere Bedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen. Wenn die Fähigkeit zu Gespräch und konstruktiver Konfliktlösung eine entscheidende Bedingung zum Gelingen des Übergangs zur Elternschaft darstellt, könnten künftig Kommunikationstrainings für werdende Eltern dem Abbrechen der Kommunikation vorbeugen. Und nicht zuletzt dürfte sich ein größeres Angebot nicht nur an Geburtsvorbereitungskursen, sondern an Kursen, die Eltern auf die Veränderungen und Herausforderungen für die Partnerschaft nach der Geburt des ersten Kindes vorbereiten, günstig auf den Verlauf von Paarbeziehungen im Übergang zur Elternschaft auswirken.

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