Erziehung
Alles zu neuesten Forschungsergebnissen, Tipps und Erfahrungen in der Kindererziehung. urbia.de beantwortet Ihre Fragen rund um das Thema Erziehung.
Welche Erziehung ist die richtige?
Unter Erziehung versteht man heute das Bilden und Fördern der geistigen und seelischen Entwicklung eines Kindes. Diese Auffassung ist noch gar nicht so alt: Erste pädagogische Konzepte, die sich von der rein religiösen Erziehung emanzipierten, entstanden im 17. Jahrhundert zur Zeit der Aufklärung. Seitdem hat sich viel getan. Autoritäre, reformatorische, strenge, antiautoritäre, freie und viele weitere Erziehungsstile wechselten sich im Laufe der Jahrhunderte ab.
In der Praxis, abseits der großen Erziehungswissenschaften, stehen Eltern jeden Tag aufs Neue vor ungeklärten Fragen und schwierigen, nervenaufreibenden Situationen. Sie fragen sich, wie sie das Kind bestmöglich fördern, ohne es zu überfordern, wie sie mit seinen Fehltritten umgehen, ohne es zu verunsichern, wie sie es unterstützen, ohne ihm zu stark die eigenen Interessen aufzuzwingen. Denn trotz aller wichtigen Erkenntnisse aus jahrelanger Forschung auf dem Gebiet der Kindererziehung bleibt doch jedes Kind einzigartig und braucht eine entsprechend einzigartige Erziehung. In unserem Magazin stellen wir Ihnen verschiedene Konzepte und pädagogische Ansätze vor, möchten aber auch Hilfestellung leisten, wenn Sie in einer bestimmten Situation nicht weiter wissen.
Konzept oder konzeptlos?
Genaugenommen fängt die Erziehung eines Kindes mit seiner Geburt an. Sobald es auf der Welt ist, nimmt es seine Umwelt wahr. Sein Gehirn wächst auch außerhalb des Mutterleibs weiter und stellt ständig neue synaptische Verbindungen her, millionenfach. Alles, was in dieser Zeit mit ihm geschieht, wird abgespeichert und wirkt persönlichkeitsbildend. Die „Erziehung“ in dieser Lebensphase ist sowohl für den Säugling als auch für die Eltern weitestgehend unbewusst. Dennoch, bereits die frühkindliche Prägung kann Auswirkungen auf das spätere Verhalten des Kindes haben. Später müssen sich die Eltern entscheiden, welchen erzieherischen Weg sie einschlagen. Wieviel Erziehung ist eigentlich nötig? Moderne Erziehungskonzepte propagieren die sanfte Erziehung. Grenzen aufzeigen, ja, aber immer im respektvollen Umgang mit dem Kind. Konsequent sein, ja, aber immer ohne Gewalt – weder physischer noch psychischer Natur. Beschützen, ja, aber dem Kind auch Eigenverantwortung zutrauen.
Doch bei allen guten Vorsätzen, manchmal kommen Eltern und Kind einfach nicht zusammen. Meist sind grundlegende Verständigungsschwierigkeiten die Ursache. Eltern verstehen nicht, warum ihr Kind auf eine bestimmte Weise reagiert, und auch das Kind fühlt sich unverstanden und begreift nicht, warum sein Verhalten falsch ist. Wenn Eltern sich überfordert fühlen und den Eindruck haben, ihnen entgleitet alles, ist es ratsam, sich Hilfe in Sachen Erziehungsfragen zu holen. In Erziehungskursen können Eltern lernen, ihre Kinder besser zu verstehen, Konflikte ruhig und nachhaltig zu lösen und so mehr Harmonie ins Familienleben zu bringen.
Kinder richtig fördern: Was gehört dazu?
Zur Erziehung gehört nicht nur, das Kind zu einem Mitglied der Gesellschaft zu machen. Auch die Förderung seiner Begabungen und seiner Kreativität sind ein wichtiger Bestandteil. Die kreative Förderung treibt die Entwicklung eines Kindes in ganz unterschiedlichen Bereichen voran. Von der Motorik über das Verantwortungsgefühl bis hin zu Problemlösungsstrategien lernt es spielerisch seine Welt kennen und sich darin zurechtzufinden – ganz von alleine.
Musik schult das Kind auf unterschiedliche Weise. Die Konzentrationsfähigkeit und das Gedächtnis werden trainiert, das soziale Verständnis und die Sensibilität gefördert. Dabei muss kein kleiner Beethoven entstehen, wichtig ist der Spaß an der Musik. Viele Eltern beginnen bereits im Kleinkindalter mit musikalischer Früherziehung. Singen und sich rhythmisch bewegen, vielleicht bereits erste einfache Instrumente zu spielen, macht den Kleinen nicht nur Spaß, sondern fördert das Gehör, die Motorik und schafft Selbstvertrauen. Später möchte das Kind dann vielleicht ganz von alleine ein Instrument spielen lernen.
Doch wieviel Förderung ist gesund für ein Kind? In den letzten Jahren entstand ein regelrechter Förder-Boom, der auf der Annahme der Eltern basiert, ihrem Kind stünde die Welt offen, wenn es nur ausreichend gefördert würde. Was in der Kernaussage sicher nicht falsch ist, wird allerdings häufig übertrieben. Und wenn ein Kind vor lauter Förderung nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht, ist das purer Stress. Das gesunde Maß ist wie immer die beste Lösung.
Das beste Handwerkszeug, das Eltern ihren Kindern mit auf den Weg geben können, ist ein gutes Selbstvertrauen. Ein starkes Kind hat es im späteren Leben wesentlich leichter als ein ängstliches. Mit viel Liebe, Vertrauen und einer guten Portion Humor gelingt es Eltern, Mut zu machen, zu motivieren und so patente, fröhliche kleine Menschen heranzuziehen.
Kleine Kinder – kleine Menschen
Ein Kind ist kein unbeschriebenes Blatt, das sich beliebig formen lässt. Jedes Kind ist ein Individuum mit einem eigenen Charakter und individuellen Verhaltensweisen. Bei jedem Erziehungskonzept sollte daher nicht strikt nach den Vorgaben aus dem Ratgeber XY gehandelt werden, sondern immer der Blick auf das Kind und seine Bedürfnisse gerichtet sein. Das Bauchgefühl ist oft der bessere Ratgeber in Erziehungsfragen als es die Erziehungswissenschaften sein können. Dass es nicht den universellen Erziehungsratgeber gibt, davon ist der dänische Familientherapeut und Spezialist in Sachen moderner Kindererziehung, Jesper Juul, überzeugt. Er empfiehlt, genau zu beobachten und die Botschaften des Kindes ernst zu nehmen.
Wie Eltern auf ihr Kind reagieren, hängt nicht zuletzt auch von dessen Charakter ab. Ein waches, lebhaftes Kind springt wahrscheinlich auf andere Mechanismen an als ein ruhiges, schüchternes Kind. Hier muss deutlich sensibler reagiert werden, ohne Druck aufzubauen. In keinem Fall sollte man eine bestimmte Reaktion von seinem Kind einfordern, wenn es dazu nicht in der Lage ist. Denn nicht immer sind Trotz und Widerspenstigkeit die Gründe dafür, oft ist es ganz einfach Angst. Andersrum sollte ein offenes, extrovertiertes Kind nicht immer zurechtgewiesen werden, wenn es sich auslebt.
Insbesondere bei mehreren Kindern neigen Eltern häufig dazu, bewährte Erziehungsmethoden von dem ersten Kind auf das zweite zu übertragen. Doch nicht immer funktioniert das so einfach, schließlich unterscheiden sich auch Geschwister charakterlich mitunter stark voneinander. Eine gerechte Erziehung muss also nicht unbedingt eine gleiche Erziehung sein. Ähnlich verhält es sich bei Kindern unterschiedlichen Geschlechts. Das Verhalten von Jungen und Mädchen ist oftmals sehr unterschiedlich. Diese Unterschiede gilt es wahrzunehmen, aber weder zu unterdrücken, noch zu fördern. Wenn der Sohn gerne den Puppenwagen der Schwester herumschiebt und wenn die Tochter gerne im Sonntagskleidchen in die tiefste Matschpfütze springt, dann sollte man ihnen diesen Spaß gönnen. Schließlich werden sie schnell genug erwachsen – mit der fürsorglichen Hilfe ihrer liebenden Eltern.