Kinderwunsch: Sex nach Plan
Sex nach Plan kurz vor dem Eisprung: Das klingt wenig romantisch. Für Paare mit Kinderwunsch jedoch oft unumgänglich. Aber wie behält man beim Sex auf Termin auch auf Dauer noch den Spaß an der Sache? Wir haben Paare zum Kalender-Sex befragt.
Der Eisprung naht - was nun?

Es ist ein bisschen wie Lottospielen, wenn die Ziehung bevorsteht und der Jackpot lockt: Geplanter Sex kurz vor dem Eisprung. Viele Paare möchten dem Glück (und der Natur) den kleinen Finger reichen und bestimmen per Teststäbchen oder Temperaturkurve die fruchtbaren Tage der Frau. Manchmal ist es aber auch der Arzt, der den Startschuss zur Jagd aufs springende Ei gibt, weil das Paar in einer Kinderwunsch-Behandlung steckt. Was aber ist mit Liebe, Romantik, Spontaneität? Ist es nicht der Niedergang jeder Leidenschaft, wenn sie nach Kalender stattfinden soll? Muss „Mann“ eigentlich auf Knopfdruck können? Und wie fängt ein Paar das völlig unspontane Schäferstündchen an? Etwa mit „Äh, sollen wir dann jetzt?“ oder „Na gut, dann woll’n wir mal!“? urbia befragte Paare, warum sie bewusst zum Eisprungtermin kuscheln und ob es ihnen gelingt, Romantik und Vergnügen in den „Kalendersex“ zu retten.
Warum lieben Paare nach Kalender?
Wenn zwei sich für die Liebe nach Termin entscheiden, stecken die unterschiedlichsten Motive dahinter. Manchen gibt der Arzt vor, wann „es“ denn bitte sehr sein sollte: „Ich kam gerade heute morgen vom Frauenarzt, der mir mitgeteilt hat, dass mein Eissprung unmittelbar bevorsteht! Er sagte, dass ich also heute oder morgen Geschlechtsverkehr haben sollte“, berichtet Janine. „Ich habe vorhin gleich meinen Mann auf der Arbeit angerufen und ihm davon erzählt. Er freute sich! Denn weil ich PCO (viele kleine Zysten) am rechten Eierstock habe, ist die Chance auf einen Eisprung gering und liegt so bei drei bis vier Mal im Jahr.“
Andere wiederum wollen genau den Sex nach ärztlicher „Verordnung“ vermeiden: „Wir hatten es etwa ein Jahr lang einfach so probiert“, erzählt Sonja (41) aus Karlsruhe. „Als es nicht klappte, wollten wir nicht gleich in eine Kinderwunschpraxis, also sozusagen an die ‚Öffentlichkeit’ gehen. Wir wollten nicht mit einem Außenstehenden über unser Intimleben sprechen.“ Deshalb hatte sich Sonja zunächst einen Zykluscomputer angeschafft. „Ich dachte, wir hätten vielleicht einfach den richtigen Zeitpunkt immer verpasst.“ Ausschlag gab eine Freundin: „Als die sich einen Zykluscomputer anschaffte, sah sie, dass ihre fruchtbaren Tage immer zu einem ganz anderen Zeitpunkt waren als sie gedacht hatte. Das hat mir selbst auch zu denken gegeben.“
Manche Paare sind aber einfach ungeduldig und wollen das Elternwerden mit den modernen Möglichkeiten beschleunigen: „Mein Freund und ich haben uns vor zwei Monaten zu einem Kind entschlossen und probieren seit diesem Monat, schwanger zu werden. Wir benutzen dazu die Ovulationstests, einfach, weil es so am schnellsten geht“, erklärt eine Userin mit dem Nick Hippogreif in einer Mail an urbia optimistisch. „Empfohlen wurde mir der Test von zwei Freundinnen, bei denen mit den Teststäbchen gleich im ersten Monat geklappt hat“, erzählt sie.
Wie oft solltest du Sex haben, wenn du schwanger werden willst?
Sex nach Plan – Romantik fehl am Platz?
„Sex nach Kalender ist ätzend und bringt leicht Spannung in die Beziehung“, so Sonjas ungeschminktes Fazit. „Trotzdem ist er das kleinere Übel, verglichen mit dem Programm in einer Kinderwunschpraxis mit Spermiogramm und Untersuchungen und all dem“, findet die Krankengymnastin aus Karlsruhe. Sie und ihr Mann Jochen haben trotz der Abneigung gegen unspontanes Kuscheln aber versucht, das Beste daraus zu machen. „Damals hatten wir ja noch keine Kinder und deshalb einfach mehr Zeit, Freiheit und Energie als heute. Wir waren sozusagen noch etwas experimentierfreudiger. Wir haben uns halt immer einen gemütlichen Abend gemacht und versucht, wenigstens etwas Schönes in diese unromantische Sache zu bringen, was auch einigermaßen ging.“
„Romantik fehl am Platz“ bringt auch eine Userin mit dem Nick Agi ihre Gefühle beim Sex nach Plan in einer Mail an gegenüber urbia auf den Punkt. „Wir haben in der fruchtbaren Zeit, die ich mir im Internet hatte ausrechnen lassen, jeden Tag geherzelt. Auch mein Mann fand es nicht toll, sozusagen nach Termin ‚herhalten’ zu müssen. Gott sei Dank bin ich im ersten Übungszyklus schwanger geworden, denn mit Liebe hatte das alles nichts zu tun.“ Userin „Hippogreif“ dagegen glaubt, dass auch Sex ohne Eisprungbestimmung, also „ins Blaue hinein“ auf Dauer nerven kann: „Na klar ist das schon etwas ungewöhnlich, wenn man zuerst auf ein Teststäbchen schauen muss, bevor man Sex hat. Aber was soll’s? Lieber mal ein bis zwei Monate Sex nach Plan, als zehn Monate vergeblich vor sich hin probieren. Ich glaube, so nach dem vierten oder fünften Monat verhütungsfreiem Sex hat man auch kein Bock mehr drauf und macht sich permanent Gedanken, wann es denn nun endlich klappt mit dem Baby“.
Es kristallisiert sich im Gespräch mit den Paaren aber heraus: Ob der „Verkehr nach Fahrplan“ belastet, hängt nicht zuletzt davon ab, wie lange die Beiden dabei aufs Kind warten müssen. Geht es schnell, stresst der geplante Sex noch kaum, wie bei einer Userin aus einem Online-Forum für Schwangere: „Wir haben bei beiden Kindern sofort im allerersten Versuch, bei dem wir am wahrscheinlichen Eisprungtermin ohne Gummi miteinander Sex hatten, einen Volltreffer gelandet. Ich musste auch nichts messen, denn ich gehöre zu den wenigen Frauen, die ihren Eisprung so stark wie den Menstruationsschmerz spüren.“ Genauso erging es Steffi: „Mein Mann musste sozusagen auch auf Bestellung ‚parat’ sein, wir haben es genau darauf angelegt, am Eisprung zu ‚herzeln’“. Auch sie und ihr Mann hatten aber beide Male sofort Erfolg. „Ich denke, es kommt immer drauf an, wie lange man schon übt und wie sehr man sich darauf versteift. Wir haben uns da eher einen Spaß draus gemacht, als dass wir es als nervig empfunden hätten.“
Vergnügliche Verführung: „Komm, Baby machen!“
Apropos Spaß – kann der auch mit von der Partie sein, wenn der Eisprung direkt angepeilt wird? „Nun ja, wenn wir über die Sache reden, dann sagen wir manchmal ‚Komm Baby machen!’. Oder André erzählt mir von Dingen die er angeblich gehört hätte, zum Beispiel: Wenn es lange dauert, bis eine Schwangerschaft eintritt, dann solle man bei Vollmond kuscheln“, lächelt die Einzelhandelskauffrau Claudia (24). Wenn sie und ihr Mann (30, Tischler) an den fruchtbaren Tagen ‚herzeln“, legen sie also Wert darauf, „dass dies meist in lustiger Atmosphäre stattfindet.“ Auch Wiebke (30) findet durchaus heitere Aspekte an der Sache, zum Beispiel, „wenn die Frau nach dem Sex einen Kopfstand macht“, damit die Spermien leichter an ihr Ziel gelangen - wobei sie lieber offen lässt, ob sie diese schwangerschaftsfördernde Akrobatik schon einmal selbst ausprobiert hat...
Dass weder Romantik noch Vergnügen auf der Strecke bleiben müssen, hat auch Janine festgestellt: „Da wir erst seit drei Monaten ‚aktiv’ sind, ist es für uns noch keine Belastung – einfach weil wir Spaß am Sex haben. Wir überspielen es mit Romantik, etwas Kerzenschein, einem schönen Dessous und auch mal einem Glas Sekt!“, erzählt sie. Und im Hinterkopf haben sie und ihr Partner: „Es macht nicht nur Spaß – wir freuen uns auch, wenn es dann irgendwann klappt mit dem Wunschkind.“
„Wir haben uns fast jedes Mal einen richtig schönen Abend gemacht, mit Kerzen und Musik“, erzählt die Userin „Hippogreif“, die gerade begonnen hat, auf die fruchtbaren Tage zu achten. „Leider hat bei mir der Test insgesamt sechs fruchtbare Tage angezeigt. Das war uns dann doch ein bisschen zuviel des Guten. Daher haben wir auch zweimal pausiert, weil wir einfach wirklich keine Lust mehr hatten. Aber wir haben auch immer versucht, es lustig zu sehen, nach dem Motto: ‚Schatz, mach Dich schonmal nackig und wärm’ das Bett an, der Test war gerade positiv!’“ Der Rückblick auf die ersten Tage mit Sex nach Plan fällt denn durchaus gut aus: „Ich empfand diese fruchtbare Woche nicht wirklich als unromantisch, ein bisschen anstrengend an zwei Abenden, ja. Aber auch ziemlich lustig, und irgendwie schweißt auch das wieder zusammen.“ Sie resümiert: „Man arbeitet eben gemeinsam an dem Projekt Kind.“
Das „Herzeln“ zum Fruchtbarkeitshöhepunkt gerät manchmal aber auch unfreiwillig komisch: „Also, knifflig war es, als der Arzt im Ultraschall ein sprungreifes Follikel sah und sagte, spätestens bis heute Abend sollten wir Verkehr haben. Leider aber waren wir an diesem Abend verabredet, und mein Mann sollte ja nicht unbedingt wissen, wann mein Eisprung ist“, erinnert sich Bea (42) aus Bonn. „Ihm zu vermitteln, warum es – zehn Minuten bevor wir los mussten – unbedingt noch sein musste, war gar nicht einfach. Er sollte ja keinen ‚Verdacht’ schöpfen.“ Und das gelang Bea auch: „Er war total beeindruckt, wie spontan ich auch nach vielen Jahren Beziehung noch sein konnte“ grinst sie.“ Es war denn auch der Abend, an dem es mit dem zweiten Kind klappte.
Muss „Mann“ auf Kommando können?
Für Männer ist es nicht immer leicht, sozusagen auf Kommando ihren Mann zu stehen. Die deutschen Modalverben drücken die Gefühlsverwirrung gut aus: Muss Mann können, wenn er soll? Sollte er können, wenn er muss? „Mich turnt es ab, wenn ich weiß, ich soll nur, weil es jetzt der richtige Zeitpunkt ist, obwohl wir vielleicht gar nicht in Stimmung dafür sind“, so Beas Mann Udo (44). „Als wir fürs zweite Kind in die Kinderwunschpraxis gingen, weil es lange nicht klappen wollte, waren zwar die Spermiogramme das Unangenehmste. Gleich danach kam aber der Sex nach Termin, manchmal ging da bei mir gar nichts“, erzählt er. „Irgendwann hat Bea es dann lieber für sich behalten, wann es günstig ist, und ich habe auch nicht nachgefragt. Von da ab hatte ich keine Probleme mehr, und nach einem dreiviertel Jahr hat’s dann auch mit Hilfe einer Hormonbehandlung geklappt.“ Um ihren Partner nicht unter Leistungsdruck zu setzen, klären auch andere Frauen ihren Partner über den fruchtbaren Zeitraum lieber gar nicht auf. So ist der Sex für sie zwar geplant, aber wenigstens für den Mann spontan: „Mein Mann André hat gar keinen Einblick, wann bei mir die fruchtbare Zeit ist. Bei mir ist immer der Gedanke da, ob das ein guter Zeitpunkt ist oder nicht. Das ist auch schwer aus dem Kopf zu bekommen, und das ist für mich schon nervend“, berichtet Claudia (24) aus Rostock, die sich ein zweites Kind wünscht. Auch Wiebke (29) wollte ihren Mann Nico nicht mit Sex nach Termin belasten: „Ich finde, so etwas müssen Männer nicht wissen. Ich habe das von meinem Mann weitgehend ferngehalten. Den Sex haben wir so gemacht, wie wir Lust hatten. An den ‚heißen’ Tagen habe ich es dann so gedreht, dass wir zwar auch Sex hatten, aber für ihn war es immer spontan“. Ein wenig Spontaneität rettete die Hausfrau aus dem Rhein-Sieg-Kreis auch für sich selbst: „Wir haben nicht alle fruchtbaren Tage ausgenutzt. Ich finde es doof, nur nach Kalender Sex zu haben. Und zu oft ist eh nicht so gut für die Spermien.“ Mit beiden Kindern klappte es dann nach etwa 15 Monaten.
Auch Sonjas Mann Jochen (38) wusste immer, wann der Zykluscomputer grünes Licht gab. Begeistert war der Vermessungsingenieur jedoch nicht. „Klar, wenn Du das willst, ist es okay“, so sein Kommentar zum Sex nach Plan. „Sei aber nicht enttäuscht, wenn es dann nicht klappt“. „Das kam in meinen Ohren ziemlich halbherzig rüber“ berichtet Sonja. „Für Jochen war der Kinderwunsch nicht so dringend, wie für mich. Er wäre auch ohne Kinder glücklich geworden, für mich galt das nicht“. Letztlich stellte sich heraus, dass es bei ihr an verklebten Eileitern lag, dass es lange nicht hatte klappen wollte. Als sie frei waren, wurde Sonja bei beiden Kindern sofort im ersten Zyklus schwanger. Ihr persönliches Resümée der Zeit mit Zykluscomputer: „Am optimalsten ist es, wenn der Kinderwunsch bei beiden gleich stark ist, dann kriegt man auch den Sex nach Eisprungtermin sicher gut hin.“
Zum Weiterlesen
Judith Uyterlinde: Eisprung. Goldmann 2003, ISBN-10: 3442151767 (Authentischer Erfahrungsbericht über das Warten auf den monatlichen Eisprung, über eine emotionale Achterbahnfahrt durch Arztpraxen und Kinderwunschkliniken, mit humorvollem Tenor).