Lauflernhilfen für Babys: Sinnvoll oder gefährlich?

Die ersten Schritte des eigenen Kindes sind für uns Eltern ein toller Moment. Deshalb ist es nur allzu verständlich, dass wir unser Baby beim Laufenlernen unterstützen wollen. Doch leider sind die sogenannten Lauflernhilfen genau dafür völlig ungeeignet.

Autor: Birk Grüling

Einführung

Babywalker Teaser
Foto: © iStock, Maria Roldan Pazos

Wir wollen alle nur das Beste für unser Kind. Gerade wenn es um die Förderung der Entwicklung geht, ist uns kein Weg zu weit, keine Anschaffung zu groß. Doch nicht immer ist gut gemeint auch gut gemacht. Bestes Beispiel sind dafür Lauflernhilfen – oft auch Babywalker oder Gehfrei genannt. Auf den ersten Blick wirken sie ziemlich verlockend: Die Kinder lieben sie, denn sie können sich damit schon vor dem ersten Schritt fortbewegen und gewinnen dadurch Autonomie. Und nicht ganz unwichtig: Die Eltern haben Luft zum Durchatmen oder eine (warme) Tasse Kaffee. Doch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte warnt seit Jahren vor der Benutzung der Lauflernhilfen und fordert sogar ein Verkaufsverbot nach kanadischem Vorbild. Dort sind die Lauflernhilfen auf Grund der großen Verletzungsgefahr bereits seit 2004 verboten. In Deutschland stießen solche Forderungen bisher auf wenig Zustimmung. In vielen Babyläden und Kinderzimmern stehen noch Gehfrei und Co.

Warum sollten Eltern die Finger von Lauflernhilfen lassen?

Doch was macht die Lauflernhilfe für Kleinkinder so gefährlich? Das Grundprinzip eines Gehfreis ist immer gleich: Es ist ein Gestell mit kleinen Rädern, in dem sich das Baby oder Kleinkind fortbewegen kann – halb sitzend, halb stehend. Die Lauflernhilfen richten sich an Babys und Kleinkinder zwischen sechs und 15 Monaten, die noch nicht laufen. Auf den ersten Blick sieht das Ganze nach einer sinnvollen Erfindung aus. Die Kinder können sich mit strampelnden Bewegungen selbst fortbewegen. Das eigene Körpergewicht wird ganz durch den Wagen getragen und lastet nicht auf den kleinen Beinen. Dazu bieten die Plastik-Gestelle mit allerlei Rasseln und Knöpfen Spiel und Spaß.

Doch auf vielen Heften für die  U-Untersuchungen beim Kinderarzt sieht man nicht umsonst „Kein Gehfrei"-Stempel. Mediziner warnen, dass ein Gehfrei eher das Laufenlernen verzögert und Fehlhaltungen fördert. Je häufiger Kleinkinder in diese Geräte gestellt werden und damit durch die Wohnung fahren, desto empfindlicher wird ihre natürliche motorische Entwicklung gestört. Der Grund: Lernlaufhilfen bieten Babys zwar Bewegungsmöglichkeiten. Die sind jedoch sehr einseitig und unnatürlich. Genau die natürlichen Bewegungsabläufe und Lernprozesse, die für das Laufenlernen so wichtig sind, werden dagegen stark eingeschränkt. Zum Beispiel werden Babys in eine aufrechte Position gebracht, obwohl sie dazu körperlich noch gar nicht reif genug sind. Es kann zu Fehlbelastungen für die Wirbelsäule, Muskelverkürzungen oder  Fußfehlstellungen kommen.

Immer wieder sorgen Lauflernhilfen für schwere Unfälle

Arztberichte zu Unfällen mit Lauflernhilfen lesen sich tragisch: Kleinkinder stürzen mitsamt Lauflernhilfe über Türschwellen oder fallen Treppen hinunter.  Kopfverletzungen - von Schürfwunden bis zu Schädelbrüchen - sind dabei die häufigste Verletzungsfolge. In anderen Fällen erleiden die Kinder Verbrühungen, weil sie durch die größere Reichweite und dem aufrechten Sitz im Babywalker plötzlich an Tassen mit heißer Flüssigkeit oder an Küchengeräte gelangen. Andere Kleinkinder ziehen an Tischdecken oder an Kabeln von Wasserkochern, reißen sie herunter und übergießen sich. Auch Vergiftungsunfälle sind dokumentiert, bei denen Kinder über die Lauflernhilfe nach Medikamenten oder Zigaretten greifen konnten. In den USA werteten Mediziner für eine Studie der University of Toledo, der Ohio State University und der „Child Injury Prevention Alliance" die Krankenhausberichte von 230.000 verletzten Babys und Kleinkindern unter 15 Monaten aus, die wegen Unfällen in der Notaufnahme behandelt wurden. Das Ergebnis: Unglaubliche 75 Prozent verletzten sich durch Treppenstürze mit Lauflernhilfen. Auch in Deutschland erleiden pro Jahr etwa 6.000 Babys und Kleinkinder Unfälle mit Lauflernhilfen – zu den häufigsten Verletzungen zählen Kopfverletzungen

Ist ein Lauflernwagen eine sinnvolle Alternative?

Ebenfalls sehr beliebt bei Eltern sind die sogenannten Lauflernwagen. Anders als es der Name vielleicht andeutet, lernen die Kleinkinder auch mit einem Lauflernwagen nicht das Laufen. Es geht eher um eine Unterstützung bei den ersten, wackeligen Schritten. Bevor das Kind einen Lauflernwagen vor sich herschiebt, sollte es schon relativ sicher auf den eigenen Beinen stehen können. Sonst ist die Verletzungsgefahr zu groß – zum Beispiel kann der Wagen beim Hochziehen schnell umkippen.

Was macht einen guten Lauflernwagen aus?

  • Er ist nur so groß, dass das Kind die Arme beim Schieben auf Brusthöhe halten kann und aufrecht geht.
  • Außerdem darf der Lauflernwagen nicht zu leicht sein. Sonst kippt er zu schnell um, wenn sich das Kind an ihm festhält.
  • Wichtig: eine Bremse, mit der sich der Rollwiderstand erhöhen lässt. Das verhindert das Wegrutschen.
  • Grundsätzlich ist der Lauflernwagen aber eher ein Spielzeug, das zum Laufen motiviert, ähnlich Puppenwagen oder Schiebe- und Nachziehtiere aus Holz.

Wie lernt mein Kind am besten laufen?

Am besten geht es ohne jede Hilfe! Alle Kinder lernen laufen, das eine früher, das andere später – vorausgesetzt, es hat keine körperlichen Beeinträchtigungen. Deshalb sollten Eltern der natürlichen Entwicklung ihren Lauf lassen. Immerhin trainieren Kinder schon von Anfang an für die ersten Schritte – zuerst mit kräftigem Strampeln. Ab dem ungefähr dem dritten Monat heben sie ihr schweres Köpfchen für mehr als nur ein paar Sekunden und drehen sich bald vom Bauch auf den Rücken und zurück. Das ist die perfekte Vorbereitung für das Robben und Krabbeln. Über den Vierfüßlerstand geht es bald in den Sitz. Da Mama und Papa alle spannenden Dinge höher gestellt haben, reicht das Sitzen irgendwann auch nicht mehr. Die meisten Babys ziehen sich mit acht bis zehn Monaten an Stühlen, Schränken oder den Eltern hoch und lernen so schon bald auf den eigenen Füßen zu stehen, wenn auch noch wackelig. Wenig später machen sie auch ihre ersten Schritte. Mit 16 Monaten können etwa 90 Prozent aller Kleinkinder frei laufen. Selbst wenn dein Kind in diesem Alter noch nicht läuft, besteht nicht automatisch Grund zur Sorge. Wichtiger ist es, die Gesamtentwicklung des Kindes zu betrachten. Manche Kinder plappern früher und lassen sich dafür mit der motorischen Entwicklung mehr Zeit. Andere Kinder laufen mit zehn Monaten, sprechen aber weniger. Hast du trotzdem Sorge, dein Kind könnte sich nicht altersgerecht entwickeln, ist der Kinderarzt der richtige Ansprechpartner.

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