Habe ich wirklich ein Problem?

Hallo Ihr Lieben,

Ich schreibe hier, weil ich mir eine weitestgehend „objektive“ Meinung in Bezug auf mein Problem erhoffe, denn ich habe Angst, dass ich beim Arzt mit meinen Problemen nicht ernst genommen werde. Bzw. Bin ich mir nicht sicher, ob ich mich nicht einfach nur anstelle und zu empfindlich bin. Außerdem habe ich keine Ahnung wie und wo ich mir Hilfe suchen kann.

Nun zu meiner „Geschichte“:

Ich bin Mitte 30, lebe mit meinem Partner und meinem Sohn (2,5) zusammen. Das Verhältnis zu meiner (primär)Familie ist sehr schwierig und auch belastend für mich. Alle Angehörigen (sowohl meine als auch die meines Partners) leben ca. 400 km entfernt. Wir kümmern uns also, wie viele andere auch, alleine um unser Kind.
Mein Partner arbeitet Voll und ich 25 h in einem Job der mich nicht erfüllt und leider auch nicht gut bezahlt ist (Gelernte Tourismuskauffrau).

Ich hatte als Teenie und junge Erwachsene Probleme mit Magersucht und vorwiegend Bulimie. Hier war ich nur kurzzeitig ambulant in Behandlung, da ich nie lebensbedrohlich dünn war hat es meine Eltern letztlich auch nie wirklich interessiert solange die Toilette sauber war. Ich hatte in den letzten Jahren immer wieder Phasen, in denen ich traurig, mutlos und antriebslos war, habe das selbst aber auch nie ernst genommen, anderen geht es schließlich noch schlechter…

Nun ist es aber so, dass mein Alltag mich immer mehr Kraft kostet. Die Phasen in denen es mir gut geht werden immer kürzer und kommen immer seltener. Meistens bin traurig oder einfach nur emotionslos, wie taub von innen. Ich denke viel über den Tod nach, wünsche mir auch und bin der Überzeugung dass es für alle besser wäre, wenn ich nicht mehr da wäre und empfinde mein Leben (abgesehen vom Mutter sein) als völlig sinnlos. Auch wenn das nun komisch klingt: ich möchte mir aber nichts antun, ich habe Angst davor zu sterben und ich möchte auch meinen Partner und besonders meinen Sohn nicht alleine lassen, aber die eben beschriebenen Gedanken kommen immer wieder automatisch.

Trotz allem schaffe ich es, meinem Kind ggü. Eine zugewandte und liebevolle Mutter zu sein, auf seine Bedürfnisse einzugehen und ihn zu begleiten. Aber auch das kostet mich so unfassbar viel Kraft.

Ich weiß wirklich nicht weiter. Ist es normal sich so zu fühlen? Ich habe wirklich Angst davor mich jemandem anzuvertrauen, der das alles nur abtut… der Gedanke daran setzt mich so unter Druck mich nicht so „anstellen zu wollen“ Ich weiß auch nicht, an wen ich mich wenden kann und wie ich mir Hilfe suchen kann. Ich fühle mich einfach so alleine damit. Natürlich habe ich mir meine Partner gesprochen und er unterstützt mich wo er nur kann im Alltag hält sich aber eher zurück was meinen psychischen Zustand angeht.

Vielen lieben Dank, wenn du es bis hierher geschafft hast, über einen Ratschlag zu meiner wirren Erzählung oder vielleicht auch einen Erfahrungsbericht würde ich mich sehr freuen.

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Liebe Traurig,

geh bitte zum Hausarzt und besprich das.
Eine Freundin von mir hat ähnliche Probleme. Ich mag Dir nichts vormachen: die meisten Kassenpatienten bekommen kaum Termine bei Psychologen, lange Warteliste und wenn sie einen Platz haben ist es echt zT äusserst durchwachsen was die Qualität der Behandlung angeht.
Der Hausarzt kann Dir aber Psychopharmaka in geringer Dosierung verschreiben, das evtl schon helfen könnte.

Wichtig ist, dass Du Eurem Kind gegenüber eine starke Mama bleibst, denn das hält Dich auch im Leben.
Richtig ist, dass das Kind Dich braucht, Du kannst Dich nicht der Magersucht hingeben. Bitte unternimm was gegen Deine abdriftende Psyche. Super dass Du nach Rat fragst.
Bitte versuche, alle kleine schönen Dinge im Leben zu beachten und halte Dich so auf der positiven Seite des Lebens wenn möglich!!

LG und ganz viel Mut und Kraft dass Du dem Hausarzt ggü offen und ehrlich bist.
Und noch mehr hoffe ich, dass dieser dann umsichtig behandelt oder weiterüberweist!!!
shealove

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Liebe TE,

es ist für (gerade für leichtere/beginnende) psychische Erkrankungen sehr typisch, dass man zunächst glaubt, es sei gar nicht so schlimm, sicher lacht der Arzt einen aus und kann sowieso nichts machen, anderen geht es viel schlechter, man nimmt denen einen Platz weg.

Entscheidend ist nur, dass es dir gerade nicht gut geht.

Der Hausarzt ist erstmal ein guter Ansprechpartner, neben ggf. Medikamenten kennt der vielleicht noch ein paar gute Tipps und Ansprechpartner.

Man muss nicht solange warten, bis man einen richtigen Zusammenbruch hat, einen Burn Out, Suizidversuch oder wie vielleicht bei dir eine wiederkehrende Essstörung.

Es muss ja auch nicht sofort eine komplette Psychotherapie oder stationärer Aufenthalt sein, da bekommt man auch nicht so schnell einen Platz, vielleicht hilft schon das Gespräch, es gibt viele niedrigschwelligere Lösungen, psychologische Beratungsstellen, Kuren, digitale Gesundheitsangebote zum Umgang mit Depressionen, schau auch bei deiner Krankenversicherung, die haben oft anonyme kostenlose Beratung für sowas und vermitteln passende Angebote weiter.

Dir kann sicher ganz gut geholfen werden, wenn du dich traust, dich zu öffnen.

Ich habe kürzlich in einer ähnlichen Situation Hilfe gesucht und es war sowas von befreiend und erleichternd, alleine schon, dass es raus ist und vielen anderen auch so geht.

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Liebe Traurig86,

was Du schilderst, klingt für mich wie eine Traumafolgestörung. Die Reaktion Deiner Eltern von damals legt emotionale Vernachlässigung nahe. Die Symptomatik die Du schilderst klingt wie Traumafolgesymptomatik (u.a. Dissoziation, emotionales taub fühlen). Auch Deine Ängste, dass man denken könnte, Du stellst Dich an und man glaube Dir nicht etc. sind typisch für jemanden mit traumatischen Beziehungserfahrungen.
Du bist m.E. am Besten aufgehoben bei einem auf Traumatherapie spezialisierten Therapeuten. Ansonsten kannst Du Dich ja schonmal über komplexe posttraumatische Belastungsstörung, emotionale Vernachlassigung/Missbrauch u.ä. belesen. Ich denke, da wirst Du Dich wiederfinden und auch merken, dass Du nicht alleine bist.

alles Gute Dir