Alkohol in der Beziehung, wie wieder Vertrauen aufbauen

Liebe Urbianer,
mein Mann und ich stecken gerade in einer tiefen Krise.
Er ist immer gerne feiern gegangen und hat mit Freunden alkoholtechnisch häufiger über die Stränge geschlagen. Seit etwa 1,5 Jahren hat er aber auch zunehmend allein zu Hause getrunken, an mehreren Abenden pro Woche und so, dass eine Flasche Whiskey innerhalb von 3-4 Tagen leer war.
Ich habe das sehr oft thematisiert, auch Ultimaten ausgesprochen, Z.T. die vollen Flaschen versteckt oder ausgeleert, also feinstes Co-Abhängigkeitsverhalten gezeigt. Ohne jeden Effekt.
Parallel dazu haben sich unsere Konflikte, v.a. Haushaltsthemen betreffend, derart aufgeschaukelt, dass es regelhaft zu schweren Beleidigungen (von meiner Seite), Anschreien und vereinzelt körperlicher Gewalt (von seiner Seite) kam.
Im Januar habe ich daher die Notbremse gezogen und bin ausgezogen. Innerlich distanziert hatte ich mich schon seit etwa einem Jahr, sodass mir das nicht schwer gefallen ist und ich erstmal die Ruhe genossen habe.
Er hingegen ist aus allen Wolken gefallen, hat seither keinen Tropfen mehr getrunken (das glaube ich ihm auch) und macht eine Psychotherapie. Wir hatten seitdem mehrfach Kontakt, weil noch viele Dinge zu regeln waren und - oh Wunder- haben zum ersten Mal seit Jahren wieder konstruktive Gespräche geführt. Auf seine Bitte habe ich auch einer Paartherapie zugestimmt, erstmal mit der Intention, Klarheit über den Fortgang unserer Beziehung zu bekommen. Auch hier konnten wir einige Konfliktthemen in Ruhe und wertschätzend besprechen.
Grundsätzlich wäre ich bereit, die Beziehung unter den aktuellen Bedingungen fortzuführen, allerdings spüre ich keine Liebe (mehr?). Meine Gefühle ihm gegenüber sind neutral-freundlich, teilweise tut er mir auch leid, wenn er weint, weil er sein Verhalten bereut. Aber das Bedürfnis, ihn zu umarmen oder zu küssen habe ich nicht.
Ich frage mich also, ob die positiven Veränderungen einfach zu spät sind und die Beziehung tot ist, oder ob es wieder gelingen kann, Gefühle aufzubauen bzw. wiederzufinden. Und ich frage mich, inwieweit meine Angst, er könnte rückfällig werden (denn so naiv bin ich nicht, dass ich glaube, dass sich das Thema Alkohol jetzt für immer erledigt hat, auch wenn er Gegenteiliges behauptet), eventuell vorhandene Gefühle vielleicht unterdrückt?
Eure Meinungen und Erfahrungen sind herzlich willkommen!

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"Aber das Bedürfnis, ihn zu umarmen oder zu küssen habe ich nicht."

Damit ist der Drops doch gelutscht, oder?
Dein Selbstschutz hat wunderbar funktioniert, die Gefühle sind weg- damit ist das Thema doch durch.

Ist mir ehrlich gesagt auch schleierhaft, wie man aus allen Wolken fallen kann- wissend, dass man selbst sogar körperlich gewalttätig geworden ist. Für mich ist sein leugnen eher ein Zeichen, dass er nicht einsichtig ist.

Ein Rückfall ist auf jeden Fall realistisch.
Eine mögliche Angst vor einem Rückfall würde ich als positiv bewerten und sie nicht ignorieren. Aber ob deshalb die Gefühle weg sind? Ist es nicht egal, warum du ihn nicht mehr liebst? Er hat doch genug getan, was auch zu diesen Konsequenzen geführt haben kann. Mach drei Kreuze zum Himmel und freu dich, dass du heil aus diesem Alptraum rausgefunden hast.

Liebe Grüße
Schoko

Nachtrag: Letztlich hast du den Abgrund runtergeschaut und gesehen, zu was er imstande ist, hast verbale und körperliche Gewalt erlebt. Warum um Himmels Willen solltest du den Zustand der Beziehung also wiederherstellen? Hat er sich überhaupt dazu geäußert, was er dir angetan hat? Oder ist die Trennung immer noch soooo eine Überraschung? Steht er zu seinen Taten?

Die Reißleine wurde im Januar gezogen, seitdem trinkt er nicht mehr. Das sind gerade mal 3 Monate und für mich noch im Bereich der Trinkpause. Wenn du dann wieder zurückkommst, ist das Ziel erreicht und der Alkohol zieht womöglich auch wieder ein.

Bearbeitet von schokofrosch
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Den problematischen Alkoholkonsum sieht er ein, sagt aber, er hätte u. a. aus Frust über unsere ständigen Streitereien so viel getrunken.
Die körperlichen Übergriffe tun ihm (sehr) leid, er schämt sich dafür (es gab keine Verletzungen, trotzdem hat er mir Angst gemacht). Er glaubt, dass das ohne Alkohol und mit einer besseren Kommunikation nicht mehr passieren wird.

Warum ich trotz Gewalterfahrungen schwanke, zurückzugehen? Weil uns einiges verbindet und die letzten Wochen mir eine Beziehungsversion gezeigt haben, die ich mir wünschen würde (wertschätzende Kommunikation etc). Und weil mir bewusst ist, dass auch ich durch mein Streitverhalten zur Eskalation der Situationen beigetragen habe.

Die 3 Monate sehe ich absolut auch nur als Trinkpause. Ab wann würdest du/ihr von Abstinenz sprechen?

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Hallo NiewiederAlkohol,

nach gut einem Jahr Abstinenz werden die Rückfälle laut Literatur seltener, aber sie kommen durchaus auch nach Jahren und Jahrzehnten der Trockenheit vor.
Sehr hilfreich für eine langfristige Abstinenz ist der lebenslange Besuch von Selbsthilfegruppen. Der Besuch kann Rückfällen vorbeugen, Rückfälle können auch besser in einer Gruppe oder Gruppen aufgefangen werden.
Zu nennen wären etwa die AA, Blaues Kreuz, Kreuzbund, Freundeskreis und andere Organistationen.

Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht ganz, warum du schwankst, zu deinem Mann zurückzugehen. Wenn du keine Gefühle mehr für ihn empfindest, dann sehe ich doch keinen tieferen Grund mehr für dich, diese Beziehung wieder aufzunehmen.

Könnte eine Trennung nicht vielleicht auch für deinen Mann eine Chance für seinen Neuanfang sein?
Was hat den neben seinem Alkoholmissbrauch in eurer Partnerschaft nicht funktioniert?

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Lauf solange du kannst. Ich war in einer ähnlichen Konstellation. Nachdem er mich einmal geschubst hat das ich fast die Treppe runter gefallen bin war's für mich vorbei...
Klamotten in den Koffer und tschüss.

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Du musst jetzt nicht entscheiden ob du die Beziehung weiter führen willst. Damit muss er leben. Die Zeit wird zeigen ob er wirklich durchhält und ob deine Gefühle wieder aufflammen. Jetzt ist einfach noch alles viel zu früh und zu vage.
Wenn deine Gefühle nicht mehr kommen, dann ist das so.
Dein Mann hat schon beachtliche Mengen und harte Getränke getrunken. Trocken bleiben die wenigsten. Also die Wahrscheinlichkeit auf einen Rückfall ist sehr hoch. Vielleicht ist dein Mann einer von den wenigen die den Absprung schaffen, aber verlassen würde ich mich nicht auf sein Gerede.
Behalte deine Wohnung. Das ist deine Sicherheit und alleine dein Refugium.
Hut ab vor dir. Du hast alles richtig gemacht. Viele schaffen das nicht und gehen mit dem Alkoholiker mit unter. Behalte dir deine Grenzen unbedingt bei.