Wenn man sich vom Leben abgestraft fühlt.

Hallo zusammen,
nach der Geburt unseres Minis war ich viel und gern hier im Forum unterwegs. Ich fand den Austausch immer positiv und bestärkend und habe als neumami vieles mitnehmen können.
Dann kam Schlag auf Schlag eine Hiobsbotschaft nach der anderen und ich musste lernen, dass man tatsächlich gar nicht weiß, was man alles schaffen kann, bis man keine andere Wahl hat.
Und trotzdem habe ich nun so viele selbstzweifel und Probleme..

Vorab möchte ich sagen, dass ich in der glücklichen Situation bin, seit mehreren Jahren regelmäßig Psychotherapeutische Gesprächstherapie in Anspruch nehmen zu können, die mir auch in der aktuellen Situation viel hilft und mich lehrt, mit diesen Mammutaufgaben umzugehen.

Ich hatte eine traumhafte Schwangerschaft und schon während dieser Schwangerschaft mit meiner lieben Chefin und Mama beschlossen, mindestens ein Jahr nicht zu arbeiten, eher zwei. Ich hatte in unserem Familienbetrieb (ca 50 Mitarbeiter) die kaufmännische und personal-Leitung. Meine Aufgaben wurden teilweise extern ausgelagert, umverteilt und von meiner Mama übernommen. Alles perfekt. Doch mit der Geburt kamen die ersten Problemchen, mit denen ich zu kämpfen hatte. Starke Gelbsucht beim Baby, ich etwas blauäugig, leider schlechte Beratung der Hebamme und mein Traum vom stillen wurde zum Alptraum. Nach langem versuchen und letztendlich einer op zur Entfernung multipler Mamma-Abszesse in der Brust musste ich mich mit dem abstillen arrangieren, hatte daran jedoch lange zu knabbern.
Rund 3 Wochen später, Mini war da 2 Monate alt, rief meine Mama mich an. Sie sagte „Mein Kind, ich muss Sterben“. Auf Schlag fiel mir alles aus dem Gesicht, ich hörte meinen Papa im Hintergrund „sowas kannst du doch nicht sagen“. Doch ich hörte in ihrer Stimme… aus ihr Sprach die pure Verzweiflung. Nach Besuch wegen schmerzen beim Arzt sagte dieser ihr „gehen sie ins Krankenhaus, ich hoffe die Sache endet gut für sie“. Ohne weitere Angaben.
Im Krankenhaus dann Diagnose gallenblasenentzündung, aufatmen und pure wut gegen den Hausarzt unsererseits. Während der minimal-ivasiven op zur Entfernung der gallenblase dann der Schock. Leberkrebs, bereits gestreut auf die gallenblase. Entfernung 3/4 der Leber, sowie der gallenblase. Aber Riesen Glück!! Keine weitere Maßnahme notwendig, viele Untersuchungen, CT, MRT usw.. nicht gestreut, wir waren alle so glücklich. Keine drei Wochen zu Hause, ich musste derweil einige Aufgaben in der Firma übernehmen, ging Mama wieder ins Krankenhaus. Die Schmerzen wurden wieder schlimmer. Der Krebs war zurück, schlimmer als vorher. 4 Wochen später starb sie zu Hause. Wir pflegten sie im Familienverbund zu Hause, mussten mit ansehen wie der Krebs in kürzester Zeit aus meiner 65 Jahre jungen, bis dato immer gesund lebenden Mama, eine kranke Frau machte, die zum Schluss weder selbstständig essen, stehen, sitzen, noch sprechen konnte. Es war so schlimm.
Von heute auf morgen musste ich nicht nur den Verlust meiner Mama, die mir nach meinem Mann die nahestehendste Person war, klar kommen, ich hatte auch über Nacht die gesamte Verantwortung der geschäftlichen Anteile. Mit einem derweil 4 Monate alten Baby. Nebenbei mussten wir noch unseren geliebten Hund einschläfern und ich fühle mich noch immer total abgestraft vom Leben. So viel auf einmal?!
Ich wollte Mama sein, hatte mit meiner Mama Pläne gemacht wie wir gemeinsam durch den Wald schieben, Eis essen, babysachen shoppen. Ich wollte die Zeit genießen, in vollen Zügen und wurde vom Leben um die gesamten ersten Monate mit meinem Baby „beklaut“.
Ich musste den kleinen so oft abgeben, weil ich ins Büro musste, nachts gearbeitet habe, er nicht mit ins Krankenhaus durfte oder die Oma es nicht ertragen hat in Anbetracht des unvemeidbaren bevorstehenden immer wieder schmerzlich vor Augen zu bekommen, dass sich ihr Enkel nicht einmal an sie erinnern wird.

Ich fühle mich schlecht, schaue Fotos und Videos von Mini an, vor 5,6,7 Wochen und frage mich… wieso…?! Wieso hat das Leben es so gemein mit uns, unserer Familie, gemeint. So viel dieser so magischen Zeit war stressig, negativ behaftet.
Ich höre tausend mal den Satz „Babys spüren deine Emotionen“ und gerate in Stress, weil ich für mein Baby niemals gewollt habe, in so eine Situation geboren zu werden. Ich kann das Leben nicht abstellen, kann auch alle die Emotionen nicht immer unterdrücken und fühle mich davon mittlerweile so unter Druck gesetzt, dass ich aus jedem „Furz einen Elefanten“ mache.
Jedes Einschlafproblem hinterfrage ich mit… hat er zu viel Stress? Wenn ich sehe wie andere Babys ihre Mama beim Babyschwimmen anlachen, ich aber grade nicht so ein Lächeln bekomme, habe ich Angst dass Mini mich nicht liebt, weil ich oftmals gestresst war.
Wenn er sich beim Spielen wegdreht zweifle ich ob er genervt ist von mir, weil ich oft weg war und er die Zeit mit Papa viel besser fand und findet.

Ich habe mir das alles so schön vorgestellt und habe zusammen mit dem schönsten Geschenk meines Lebens, einem gesunden Baby, eine Zeit bekommen, die herausfordernder und auch manchmal überfordernder nicht sein könnte.

Ich hoffe so sehr, dass all das negative nun endlich ein endet hat, 2024 es gut mit uns meint und ich neben Trauer und Arbeit nun endlich die Zeit so mit meinem Baby genießen kann, wie ich es mir gewünscht habe.
Und dass meine ganzen Zweifel rund um mein Baby und unsere Bindung endlich ein Ende haben.

Danke fürs lesen bis hierhin.
Es hat gut getan, das alles mal runter zu schreiben <3.

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Hallo Elsbeth,

ich danke dir für die Schilderung deines schweren familiären Schicksalsschlags, der dein Leben auf den Kopf gestellt hast. Deine Träume von der Elternzeit sind zerplatzt, du hast Schuldgefühle deinem Baby gegenüber, du könntest wegen deinem Kind wegen deiner emotionalen und beruflichen Belastung "keine richtige Mutter" sein.

Mir fielen in deinem Text deine wiederholten Anklagen ins Auge:
"Wieso hat es das Leben so gemein mit uns gemeint..."
"fühle mich total abgestraft vom Leben"
"Ich kann das Leben nicht abstellen"

Dein letztes Zitat von deinem Unvermögen, das Leben, wie du es nennst, "abstellen" zu können, beschreibt deine Gefühlslage wunderbar, für mich rebellierst du gegen deine Lebensumstände, weil sie all deine Planungen und Vorstellungen von einem glücklichen Familienleben mit Baby, Familie und Firma zerstört haben.

Gleichzeitig scheint mir in deinem Begriff vom "das Leben nicht abstellen" können, auch ein Weg aus deinem Dunkel auf.
Damit gibst du innerlich doch schon zu, das Leben ist so wie es ist, ob du nun an Zufälle, Schicksal, Fügung oder an Gottes unerforschlichen Willen glaubst.
Du hast schon erkannt, du kannst das Leben, wie es sich dir jetzt in einem schweren Schicksalsschlag offenbart hat, nicht ändern. Du kannst nur deine Wahrnehmung und Verarbeitung dieses Schicksalsschlags und der sich daraus ergebenden Lebensumstände ändern.

Darauf zielt auch der bekannte Gelassenheitsspruch:
"Gott gebe mir
die Gelassenheit, Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann.
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom andern zu unterscheiden.

Gott, gebe mir
die Geduld mit Veränderungen, die ihre Zeit brauchen,
und Wertschätzung für alles, was ich habe.
Toleranz gegenüber jenen mit anderen Schwierigkeiten
und die Kraft aufzustehen und es wieder zu versuchen –

Nur für heute."

Durch deine Rebellion gegen dein jetzt unabänderliches "Schicksal" leidest du darunter, weil du versuchst gegen etwas anzukämpfen, gegen das du nicht ankämpfen kannst.
Das Annehmen oder Akzeptieren des Unvermeidlichen und Unabänderbaren führt für mich aber aus meinem Leiden hinaus in das Annehmen. Und das Annehmen hat immer schon den leisen Unterton des meinen Frieden mit den Dingen so wie sie sind. Und Frieden zu machen mit mir selbst.

Hast du dich gefragt, wofür das Ganze auch gut sein könnte?
Hast du das Gefühl, in den letzten Wochen durch dein Leid zu einem anderen Menschen geworden zu sein?
Siehst du nun anders auf "das Leben", deine Familie und deine Mitmenschen wie zuvor?
Wie könnten deine seelischen Schmerzen ein Teil deines menschlichen Wachstums werden?

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Hallo Christoph,
vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast eine so ausführliche Antwort zu verfassen. Das weiß ich wirklich zu schätzen.
Es sind einige gute Denkanstöße in deinem Text.

Ich bin mir sicher, dass mitten in der Nacht nicht die beste Zeit ist, um klare Gedanken zu fassen und Situationen rational sehen und in Worte fassen zu können. Und grade das sind die Zeiten und folgend Gedanken, die einen (mich) oft ins straucheln bringen 😄.

Natürlich weiß ich, dass ich weder das Leben beeinflussen oder anhalten kann, dass ich sehr privilegiert bin und mich glücklich schätzen darf ein Leben zu führen wie ich es tue und vor allem auch, dass das annehmen von nicht beeinflussbaren Dingen der beste Weg ist, einen Umgang mit diesen zu finden.

Aber ich glaube auch, dass es deutlich leichter ist, Sachen annehmen zu können, wenn man eine Antwort auf das warum hat oder zumindest einen Sinn finden kann.
Eine Antwort werden wir alle nie bekommen, das weiß ich. Und trotzdem schiebt das Unterbewusstsein so viele Fragen immer wieder in den Vordergrund.
Bisher konnte ich auch noch keinen Sinn oder etwas wirklich positives aus der Sache ziehen.
Natürlich habe ich gemerkt wie stark man sein kann. Dass man von heute auf morgen nochmal auf einem ganz anderen Level funktionieren kann. Jedoch denke ich ebenso, dass das eher eine Art Urinstinkt ist, der in solchen Situationen allen betroffenen hilft, zu funktionieren und die Räder am laufen zu halten. Denn auch wenn es so scheint, oder man das Gefühl hat es müsse so sein.. die Welt bleibt eben nicht stehen.

Aber ja, ich sehe die Gesundheit noch einmal mehr als eben nicht selbstverständlich an und hoffe, diese Sicht auch mit der Zeit nicht wieder zu verlieren. Wie wir Menschen das in dieser Schnelllebigkeit oft leider machen. Viel zu vieles in der Selbstverständlichkeit verlieren.

Ich denke es braucht noch einige Zeit und Geduld, bis ich die geschehenen Veränderung wirklich annehmen und mich in das neue Leben einfinden kann.
Es ist alles noch sehr frisch und doll, sicher werden wir mit der Zeit Lösungen finden, ganzheitlich bestmöglich mit der Situation umgehen zu können.

Ich danke dir für deine Worte.
Sie haben mir wirklich geholfen.

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Liebe Elsbeth,

"Life is what happens to you while you're busy making other plans."

Das ist das Erste, was mir einfiel, nachdem ich deinen Text gelesen hatte. Es tut mir so leid, was du in diesem Jahr alles verkraften musstest. Mein herzliches Beileid zum Tod deiner Mama, und auch zum Tod des Hundes. Eine dicke virtuelle Umarmung, wenn du magst!

Natürlich malt man sich das Leben in den schönsten Farben aus, schmiedet Pläne, stellt sich vor, wie schön man es sich macht. Dann funkt aber das Leben dazwischen, wie es eben auch sein kann - es weht einem aus dem Nichts ein eiskalter Wind ins Gesicht, der einen umwirft. Man bleibt dann eine Weile regungslos liegen, ist kraftlos, traurig und wütend, aber dann steht man wieder auf. Denn - und auch das gehört zum Glück zum Leben - die Stürme hören auch wieder auf, die Sonne wird wieder scheinen, das ist gewiss. Kein Licht ohne Schatten, kein Tag ohne Nacht.

Und dann gibt's da eben auch den berühmten Silberstreif am Horizont, wenn's auch noch so dunkel ist. Das ist euer "Mini", wie du ihn liebevoll nennst. Ja, euer Start hätte schöner und besser sein können, das steht außer Frage. Aber schmälern alle Umstände drumherum den unermesslichen Wert dieses Geschenks, das er ja für euch ist? Auch für deine Mama, die jetzt, wo immer sie auch sein mag, stolze Oma ist? Wird die Liebe kleiner, wenn auch nicht alles nach Plan verlief? Sicher nicht, oder? Ja, es mag viel Wehmut dabei sein, Trauer auch, das ist völlig legitim. Aber euer Mini wird geliebt, er hat tolle, starke Eltern, die ihm die Welt zeigen können, die Stürme überstanden haben und damit umzugehen wissen, wenn nicht alles immer so läuft wie gedacht - und somit die besten Vorbilder, die ein Kind sich wünschen kann.

Ich wünsche euch für das neue Jahr nur das Allerbeste!

Liebe Grüße,
DieKati

5

Liebe Kati,
das Sprichwort passt wohl wie die Faust aufs Auge 🙈.

Wir machen das beste aus der Situation, müssen lernen alles anders zu strukturieren als geplant und auch gewünscht, aber ändern, was nicht zu ändern ist, funktioniert leider nicht.

Unser mini ist das schönste geschenk, das 2023 uns hätte machen können und das wird durch keinen Umstand dieser Welt geändert.
Manchmal bin ich nur traurig, dass die ersten magischen Monate so turbulent waren.
Aber auch das mindert die Liebe und das Glück für unseren Mini natürlich nicht.

Ich danke dir für diese lieben, empathischen Worte und wünsche dir für 2024 alles gute 😊!

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Hallo Elsbeth,

Ich habe heute deinen Text gelesen und habe einige Parallelen entdeckt, deswg dachte ich, ich schreibe dir mal.
Meine Mutter ist im Juli an Krebs gestorben und war ca 1 Jahr krank, quasi das 2. Lebensjahr meiner Tochter war für mich eins der schlimmsten Jahre bisher in meinem Leben. Ich hab mir anfangs auch viel Gedanken gemacht, das meine Tochter Schäden nimmt, wenn ich trauere, hab mir dann aber gedacht, das mir Transparenz wichtiger ist, ich darf weinen und traurig sein, es ist meine Mutter (!) Die krank ist und sterben wird. Ich habe meiner Tochter immer erklärt, dass ich traurig bin und wütend, aber es nicht wg ihr sei. Sie war schon bei der Tagesmutter in Betreuung und ich war froh, dass sie dort Freude und Spaß um sich hatte und sie wurde in der Zeit auch deutlich zum Papa-Kind (wäre sie bestimmt eh, aber weiß ich nicht).
Unseren Hund mussten wir letztes Jahr im September einschläfern lassen, die Trauer konnte ich damals auch nicht richtig zu lassen, weil ich so mit meiner Mutter und meinen Sorgen wg der Krankheit beschäftigt war. Die kommt jetzt aber auch nach und nach raus.
Insgesamt muss ich sagen, das ich bei dem Tod meines Vaters vor 12 Jahren, da ich da noch kein Kind hatte und andere Lebenssituation, mehr Zeit hatte um bewußt zu trauern, aber er ist ganz plötzlich gestorben und das zu Begreifen, dass er einfach nicht mehr da war, war sehr schwer.

Wünsche dir alles Liebe und Gute und viel Kraft und immer einen Schritt nach dem anderen gehen ✨️

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Liebe Jodi,
vielen Dank für die lieben Worte.

Es ist wirklich komisch so deutlich zu merken, dass man kaum - oder wirklich deutlich weniger- bewusste Zeit zum trauern hat. Ob das gut oder schlecht ist, weiß ich nicht. Aber auch mir fällt es genau so auf, wie dir in der schweren Zeit.

Neben der Trauer um die liebe Mama macht man sich dann auch noch so viele Gedanken um das Kind. Oder die emotionale Folge für das Kind aus dieser Situation.
Es ist schön hier immer wieder zu lesen, dass Transparenz wichtiger ist als immer gut gelaunt zu sein. Auch ich erkläre unserem
Mini nun immer wenn ich traurig bin, warum ich traurig bin. Das gibt mir ein besseres Gefühl und auch ein wenig „Leichtigkeit“ zurück. Es ist fast wie eine „Erlaubnis“ die Gefühle zulassen zu dürfen.

Ich wünsche dir alles gute für 2024, der Verlust deiner Mama ist ja auch noch ganz frisch.

Liebe Grüße
Elsbeth