In Frieden trennen? Oder was bleibt?

Hallo zusammen,

mein Mann und ich sind seit 18 jahren verheiratet und seit 21 zusammen.

Ich war sehr jung, als ich ihn kennen lernte. Er gab mir Sicherheit, da ich sonst niemanden wirklich hatte. Ich habe mich schnell emotional abhängig gemacht. Das wusste ich aber bis vor 2-3 Jahren gar nicht.

Auch er hatte es nie leicht und daher die perfekte Partnerin im mir gefunden. Lenkbar, aber auch sehr liebevoll, mütterlich, familiär. Das brauchte er.

Es ist nicht so, dass wir uns nicht lieben. Aber es ist so wahnsinnig viel passiert und ich merke, dass er eigentlich nicht mehr wirklich will. Ich möchte die Ehe nicht aufgeben, obwohl auch ich merke, dass in mir durch die Jahre so viel kaputt gegangen ist, was nie mehr zu reparieren ist. Ich habe mich verändert. Und ich glaube, damit kommt er auch nicht so gut zurecht. Wir haben wirklich viel versucht, aber irgendwie kommt es dann immer wieder zu Auseinandersetzungen, da der eine den anderen nicht versteht oder verstehen will.

Da ich selber keinen Vater hatte, war mir die Erhaltung der Ehe so wichtig. Das weiß er und nutzte dies, vielleicht unbewusst, auch teilweise aus. Er konnte lange Zeit machen was er wollte, ich verzieh ihm wirklich alles. Daran hatte er sich natürlich auch gewöhnt und ich hätte das nicht machen sollen. Dies habe ich mittlerweile geändert, aber daran merke ich auch, das nur mein Anpassen auf Dauer alles zusammengehalten hst.

Er ist aber kein schlechter Mensch. Sehr bemüht, dass es alles gut geht. Viel am Arbeiten und auch liebevoll. Wir haben Kinder, Haus usw alles zusammen aufgebaut.

Er würde sich auch in Frieden trennen wollen. Er würde mich und die Kinder nie einfach hängen lassen. Aber mich macht der Gedanke so unfassbar traurig. Da noch Liebe da ist und man es einfach nicht auf die Reihe bekommt. Dieses immer mal wieder trennen kam öfters von seiner Seite aus über die letzten Jahre. Das hat mir auch einfach so viel Sicherheit genommen, dass ich einfach ständig in Angst vor dem Aus lebte. Auch das ist besser geworden. Aber das hat alles so viel in mir kaputt gemacht. Der sichere Hafen, da wo ich sein kann wie ich bin, war einfach nicht da.

Wie sind eure Erfahrungenen, ist ein friedliche Trennung wirklich möglich? Wann merkt man, dass man es wirklich will und es das richtige ist?

Bearbeitet von KonfusimKopf
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Könnt Ihr es nicht erstmal mit räumlicher Trennung versuchen?
Oft merkt man erst dann, was einem wirklich fehlt oder nicht.

Ihr habt viel versucht? Auch Paartherapie?
Könnte auch eine Möglichkeit sein.

Wenns gar nicht zu retten ist, könnt Ihr sicher gut befreundet bleiben. Das ist sehr viel wert und die Grundlagen dafür habt Ihr.

Trotzdem wünsche ich Dir, dass es sich retten lässt.

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Ich würde ebenfalls eine Paartherapie empfehlen und auch für dich selber Unterstützung suchen. Du brauchst die Sicherheit, dass du auch alleine sehr gut klar kommst und die Trennung erst mal kein Untergang ist. Keine Frage, dass man traurig ist, wenn die Liebe nicht mehr erwidert wird. Aber es wird funktionieren und man kann auch neue Menschen kennenlernen - wenn man will. Aber du brauchst Vertrauen in dich, dass du dein Leben alleine sehr gut hinbekommen wirst.

Und dann muss ein klares Gespräch her. Aktuell schreibst du, dass du nur merkst, dass dein Mann euch nicht mehr will. Auch scheint ihr schon über einen theoretischen Ablauf der Trennung gesprochen zu haben. Hier müssen Fakten geschaffen werden. Wer will was, wer fühlt was, wer will was noch versuchen oder oder. Mit Vermutungen kann man nicht so arbeiten. Klarheit wäre wichtig. Wo steht ihr, wo wollt ihr hin. Gemeinsam oder jeder für sich.

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Hallo KonfusimKopf,

Du fragst dich, was bleibt dir nach über 20 Jahren von deiner Ehe mit Kindern außer der Trennung?
Nach deinem Empfinden hast du dich emotional abhängig und lenkbar von deinem Mann gemacht und dich immer an ihn angepasst, aber das willst und kannst du nun nicht mehr, weil du dich verändert hast.

Nach meinem Empfinden kommt die Liebe und die Anziehung bei langjährigen Ehepaaren nicht aus dem Vakuum. Das sich finden dieser zwei Menschen bedeutet nicht selten, wir suchen uns einen Partner, der unsere eigenen Defizite und Mängel spiegelt und vielleicht etwas kompensiert. So könnte uns ein Ehepartner es mir auch erleichtern, mit meiner Persönlichkeit besser klarzukommen.
Für mich beruht die gegenseitige Abhängigkeit von Ehepaaren nicht nur auf Liebe und Vertrauen, sondern bei dieser menschlichen Verkettung spielen auch unsere Ängste und Ansprüche im Verborgenen mit.
Nicht nur du fühlst dich abhängig von deinem Mann, ich möchte fast wetten, dein Mann fühlt von seiner Seite ähnlich.

Wenn ich mir die langjährigen Ehepaare in meiner Umgebung so ansehe (Region Silberhochzeit oder darüber hinaus), dann sehe ich oft eine sehr tiefgründige Verbundenheit und Abhängigkeit der Ehepartner, die sich wohl schleichend über die Jahrzehnte entwickelt hat. Das muss nicht nachteilig sein, obwohl es sicherlich viele junge Menschen erst einmal abschreckt, wenn sie die Lebens- und Abhängigkeitsgestaltung dieser Oldtimer so betrachten. Aber ist das wirklich so abschreckend?

Für mich fühlt sich deine Schilderung deiner Beziehung zu deinem Mann recht vertraut an, du bist mit deinem Gefühl sicherlich nicht alleine.
Du sagst, es ist noch Liebe von deiner Seite in der Beziehung und dein Mann sei liebevoll und bemüht.
Ich sehe bei euch beiden erst mal keinen Zeitdruck. Wie wäre es, wenn ihr mehr Paarzeit verbringen würdet. Es muss nicht gleich eine Paartherapie sein. Es gibt etwa von den Kirchen auch das Angebot von Paarseminaren und Paarwochenenden unter professioneller Anleitung, um wieder besser ins Gespräch kommen zu können.

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Ich will dir nur berichten, dass uns das gelungen ist: uns in Frieden zu trennen.

Wir leben mittlerweile 3 Jahre getrennt und vorher 10 unter einem Dach. Wir haben ein gemeinsames Kind.

Als Paar haben wir einfach gar nicht mehr funktioniert und ich habe auch im Laufe der Ehe gemerkt, was mir alles fehlt und was mir mein Mann aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur einfach nicht geben kann, was ich aber brauche, um mich wohl zu fühlen. Umgekehrt wird das wohl genauso gewesen sein. Auf jeden Fall drohte uns der Respekt füreinander flöten zu gehen und wir haben immer häufiger gestritten wie die Kesselflicker.
Ich habe dann die Trennung ausgesprochen und mir eine Wohnung genommen. Nach dem anfänglichen Schock und viele Drohungen meines Partners, dass er nie wieder ein Wort mit mir spricht, wenn ich gehe, hat er bald gemerkt, dass uns Abstand gut tut. Unser Sohn ist unter der Woche bei mir und an drei Wochenenden beim Papa, wir haben bei vielen Dingen (gemeinsames Eigentum, Betreuung, Unterhalt) ganz eigene Lösungen gefunden, bei denen es weniger um "Gerechtigkeit" a la 50:50 geht, sondern eher darum, dass beide mit den Lösungen leben können und diese Lösungen zu unseren Leben passen. So hätte ich mich sicher komplett auszahlen lassen können, was das Haus angeht und mein Mann könnte auf mehr Betreuungszeit bestehen oder sich sonst wie querstellen. Tun wir aber nicht. Wir reden. Und wir sind auch immer noch verheiratet, aber in neuen Beziehungen. Ich vermisse meinen Mann nicht als Partner, weil er mir als guter Freund erhalten geblieben ist und auf der Ebene funktioniert das gut.
Ich glaube, die Grundlage unseres heutigen Friedens ist, dass wir anfangs Verletzungen geschluckt und ruhen gelassen haben und uns beide bemüht haben, wieder eigene Leben zu leben und vom anderen nichts mehr als Partner zu erwarten. Und uns war immer klar, dass wir Eltern bleiben und unser Kind nicht mehr leiden soll als nötig.

Von außen werden wir manchmal gefragt, warum wir uns nicht scheiden lassen und viele verstehen auch nicht, wie die neuen Partner das so aushalten; ich bin ehrlich: wir beide scheuen uns vor allem vor den Kosten einer Scheidung und der Notwendigkeit, finanziell dann alles auseinanderklamüsern zu müssen. Vielleicht machen wir das irgendwann. Momentan sind wir innerhalb dieses Konstrukts aber alle zufrieden und ich muss sagen: es geht mir wirklich tausendmal besser als in der Ehe, wo Enttäuschungen voneinander uns den Alltag vermiesten. Manchmal schaut man als Paar einfach nicht mehr in die gleiche Richtung; das muss aber nicht heißen, dass man sich auf einmal doof findet und die gesamte Basis futsch ist.

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Danke für die Erzählung deiner Erfahrung. Das gibt mir schonmal Mut.

Ihr seid ja noch verheiratet. Wie macht ihr das denn mit den Steuerklassen, oder seit ihr als getrennlebend angegeben? Ich mache mir generell auch darüber sehr viele Gedanken. Alles ist so miteinander verwoben. Ich bin mein halbes Leben mit diesem Mann zusammen. Es macht mir Angst und es tut auch weh, mir vorzustellen, ohne ihn zu sein.

Es stimmt, ich muss für mich lernen und wissen, dass ich auch ohne ihn weitermachen kann und glücklich sein kann. Daran arbeite ich seit einem Jahr auch. Er sieht das dann so an, als würde ich mich sowieso auf die Trennung vorbereiten.

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Wir verdienen ungefähr gleich viel, arbeiten beide voll und sind Steuerklasse 4 und veranlagen getrennt.
Ich lass meine Steuererklärung von nem Lohnsteuerverein machen. Spart Kraft und Nerven.

Mir hat es sehr gut getan, dass ich durch die Trennung komplett selbstständig werden musste. Ich kann jetzt alles: Autos überbrücken, Möbel aufbauen, Wlan einrichten, Wertpapierdepots einrichten, kochen, bügeln, dekorieren… vorher war ich doch sehr in die weibliche Rolle gerutscht und fühle mich so deutlich autarker, was sich in mehr Augenhöhe in zwischenmenschlichen Beziehungen auswirkt.
Erstaunlicherweise respektiert mich auch mein Mann mehr, seitdem er sieht, dass ich ihn nicht brauche. Und meines Erachtens täte es vielen Paaren tatsächlich gut, sich mal wieder aus nem symbiotischen Wesen zu zwei selbstständigen Menschen zu entüddeln. Man sieht sich wieder mit anderen Augen. Das kann meines Erachtens auch Chance für einen Neubeginn sein.

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Danke für eure Antworten.

Ja weiß, dass er sich in einer Paartherapie sehr schwer tun wird. Er redet nicht gerne über seine Probleme. Da werde nur ich reden, reden, reden.
Er würde es wohl mir zuliebe machen.

Räumliche Trennung ist sehr schwer. Unsere finanziellen Dinge sind auch alle miteinander verwoben. Wüsste gar nicht, wie man das auseinander Zetteln sollte.

Ich weiß einfach grade nicht, was das Richtige ist.

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Ohman. Was du schreibst passt auch fasst 1:1 zu meiner Situation :( Seit bald 20 Jahren zusammen, 2 Kinder. Sehr viele Höhen und Tiefen. Wir lieben uns. Aber wir schaffen es nicht wieder ein friedlebendes Ehepaar zu sein. Wir probieren derzeit eine räumliche Trennung. Es klappt eher semigut. Paartherapie war nicht wirklich hilfreich. Am Ende ist uns das wichtigste, dass wir uns wenigstens als Freunde nicht verlieren. Es ist einfach so schwer loszulassen. Ich weiß inzwischen; dass wir beide uns extrem verändert haben und dadurch nicht mehr auf einen Nenner kommen.