Kolumne „Fröhliches Familienleben"

Haustiere: Von Ratten und anderen Seelentröstern

Diverse Haustiere hat unsere Autorin bei sich aufgenommen und dadurch die Vorzüge des Zusammenlebens mit den besten Freunden des Menschen entdeckt. Doch bei einigen Geschöpfen wird ihre Tierliebe auf die Probe gestellt.

Autor: Felicitas Römer

Geradezu vom Himmel gefallen: Ein Meerschweinchen

Felicitas Roemer

Alles begann mit einem morgendlichen Spaziergang. Ich schob den Kinderwagen durch ein sonniges Wäldchen, als es deutlich vernehmbar im Laub raschelte. Ich traute meinen Augen nicht: Ein Meerschweinchen! Wie kam das hierher, so mutterseelenallein? Weit und breit kein potenzieller Besitzer. Das struwwelige Tierchen lief rastlos hin und her, und hielt immer wieder suchend sein Schnäuzchen in die Luft. Ich rätselte: Gibt es neuerdings ausgewilderte Meerschweinchen? Oder handelt es sich um das Opfer einer häuslichen Streiterei, das schnöde ausgesetzt worden war? Da ich bezweifelte, dass es in freier Wildbahn länger als ein paar Tage überleben konnte, klemmte ich das zappelnde Wesen ungeschickt unter den Arm und nahm es mit nach Hause.

So kamen wir zu unserem ersten Haustier. Meine älteste Tochter war begeistert. Wir bauten im Garten einen großen Stall, tauften es auf den Namen Mocko und fütterten es mit Löwenzahn. Die Freude währte leider nicht lange, denn einige Wochen später zerlegte der entlaufene Hund einer Nachbarin zunächst die Käfigtür und anschließend das Schweinchen. Der Tränen kullerten seinerzeit viele. Mocko bekam eine würdevolle Bestattung in unserem Garten und einen Ehrenplatz in unserem Herzen.

Ein Leben ohne Haustiere? Sinnlos!

Die von Schuldgefühlen geplagte Nachbarin schenkte uns schließlich zwei neue Meerschweinchen. Seitdem gehören wir zu den zwölf Millionen Haushalten in Deutschland, die ein Leben ohne Haustiere zwar für theoretisch möglich, aber praktisch für sinnlos halten. Es blieb natürlich nicht bei Meerschweinchen. Ich erinnere mich, dass wir in einer Zoohandlung nach ausgiebiger fachlicher Beratung zwei Wüstenrennmäusedamen erwarben, die sich in unserem Terrarium rasant vermehrten. Ich erinnere mich auch, dass unsere munteren Zwergkaninchen jede Lücke ihres Geheges nutzten, um übermütig im Garten herumspringen zu können. Und dann war da noch die Ratte meiner Tochter, die sich am liebsten unter deren XXL-Sweatshirt verkroch und sich so für mich unsichtbar machte. Bis ich den neuen Mitbewohner überhaupt bemerkte, vergingen mindestens zwei Wochen.

17.520 mal Gassi gehen

Irgendwann wünschten sich unsere Töchter natürlich einen Hund. Besonders die ältere. Als wir ein Reihenhäuschen samt Garten in einer fremden Stadt bezogen, schien der richtige Zeitpunkt gekommen. Der Kollege meines Mannes hatte Welpen zu vergeben: kleine schwarze Wollknäule mit Schlappohren, die fröhlich zwischen unseren Beinen herumwuselten. Eines davon kroch auf den Schoß meiner Tochter und verharrte dort stur, bis wir wieder gingen. Eine Woche später passierte dasselbe, und da wussten wir, dass dieses Hundebaby uns auserkoren hatte. Das ist nun zwölf Jahre her. Seitdem durften wir viermal täglich Gassi gehen. Das sind bislang 17.520 kürzere bis ausgiebige Spaziergänge. Ich müsste lügen, wenn ich behauptete, dass das ausschließlich ein reiner Spaßfaktor in unserem Familienleben sei.

Wirksamer als jede Kontaktanzeige

Und dennoch: Sollte ich mich in meinem Leben jemals einsam fühlen, würde ich mir sofort einen Hund zulegen – wenn ich nicht schon einen hätte. Nicht nur, weil er auch nach Jahren des alltäglichen Zusammenlebens immer noch begeistert mit dem Schwanz wedelt, wenn ich den Raum betrete. Auch, wenn ich nur mal eben den Müll rausgetragen habe. Sondern weil eine Promenadenmischung jeglicher Form und Größe wirksamer ist als jede Kontaktanzeige! Meine Tochter jedenfalls kannte nach zwei Tagen nachmittäglichen Herumtollens auf der Hundewiese den halben Stadtteil und hatte bereits eine neue Freundin gefunden. Die integrativen Fähigkeiten des Vierpföters hatten sich hier wunderbar bewahrheitet.

Überhaupt verfügen Tiere ja über die wundersamsten Heilkräfte! Ob Hippotherapie, Schwimmen mit Delfinen oder Blindenhunde: Tiere werden mittlerweile erfolgreich bei psychischen Problemen, Körperbehinderungen und Dementen eingesetzt. Als Seelentröster sozusagen. „Im Umgang mit dem Tier können die Jugendlichen eine Menge an wertvollen Erfahrungen sammeln“, sagte der Kinder- und Jugendpsychiater Schulte-Markwart kürzlich in einer Hamburger Zeitung: „Grundsätzlich bieten Tiere jenseits der sprachlichen Ebene die Möglichkeit, Beziehungen aufzubauen.“ In einer bekannten Zeitschrift behauptete ein anderer Professor, Menschen mit Haustieren seien insgesamt glücklicher. Eine von dieser landläufigen leicht abweichende Meinung vertrat letzthin eine kühne Pädagogin, die behauptete, Kinder bräuchten keine Tiere, sondern Menschen. Erwachsene Menschen, die ihnen Zeit und Aufmerksamkeit schenkten und ihnen zuhörten. Wenn das Kind nur genug Zuwendung von Erwachsenen bekäme, bräuchte es auch keine Tiere zum Kuscheln und Trösten mehr. Und brauchen Erwachsene Tiere? Offensichtlich. Leicht amüsiert nahm ich zur Kenntnis, dass über 35 Prozent der Deutschen das Haustier wichtiger finden als ihren Partner. Dann geriet ich aber doch rasch ins Grübeln: Bedeute ich meinem Mann eventuell weniger als unser Guppy?

Vorteil Fisch

Fische besitzen wir nämlich auch, besser gesagt mein Sohn. Der findet sie zwar mittlerweile etwas langweilig. Ich habe sie aber als angenehme Zeitgenossen schätzen gelernt. Immerhin stinken sie nicht. Sie bellen nicht, wenn im Fernsehen ein Dackel durchs Bild läuft, und lecken einem auch nicht aus purer Liebe quer durchs Gesicht. Sie verlieren kein Fell und müssen selten zum Tierarzt. Und sie strahlen sogar eine gewisse Ruhe aus, was man von unserem temperamentvollen Kläffer nicht ernsthaft behaupten könnte. Da fällt mir noch Shakespeare ein - eine der wenigen Katzen der Welt, der ich meine spontane Zuneigung nicht verwehren konnte. Im Gegensatz zu vielen meiner Geschlechtsgenossinnen schätze ich Katzen besonders dann, wenn sie sich nicht in meiner unmittelbaren Umgebung aufhalten. Bei Shakespeare war das anders: Er kam in einem Karton zu uns, heimlich eingeschleppt von einer Klassenfahrt. Von meiner halbwüchsigen Tochter natürlich. „Mama“, säuselte sie: „Der Arme wäre sonst eingeschläfert worden! Echt!“ Der schwarze Kerl lugte mit seinen dunklen Augen aus der Kiste und maunzte leise. Ich weiß immer noch nicht, wie es geschehen konnte, aber ich mochte ihn sofort.

So durfte er bleiben. Er kuschelte sich tagsüber schlafend an unseren Hund. Er schleppte uns jeden Morgen zerrupfte Vögel auf die Terrasse, worüber wir uns nur mit großer Mühe freuen konnten. Er verrichtete seine Notdurft peinlicherweise in Nachbars Garten. Und er lief vor Autos. Das erste Mal kostete es uns eine teure Hüft-OP. Das zweite Mal kostete es ihn das Leben. Seitdem ruht auch er friedlich in einer Ecke unseres Gartens.

Leider hatten wir auch schon ungebetene tierische Mitbewohner. Bei Läusen hört bei mir die Tierliebe übrigens ganz plötzlich auf. Ganz im Gegensatz zu meiner damals noch jungen Tochter, die bei der Goldgeist-Behandlung ihres dunkelblonden Schopfes aus Mitleid mit den verendenden Krabbeltierchen in Tränen ausbrach. Vielleicht ist sie deshalb Tierpsychologin geworden?