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Eine Steißlagen-Geburt

Er kam mit dem Po voran...

Andrej wollte seine Steißlage nicht aufgeben. Er trotzte allen Wendeversuchen. Seine Mutter beschreibt, wie der Knirps doch noch gut auf die Welt kam.

Autor: Petra Fleckenstein

Es liegt falsch herum

Babypo auf Mamas Arm
Foto: © iStockphoto.com/ JaniceRichard

"Alles in Ordnung - nur drehen sollte es sich noch". Mit diesen Worten meiner Gynäkologin erhielt eine bis dahin unkomplizierte zweite Schwangerschaft mit einem Mal eine andere Note. Ein Steißlagenkind. Was jetzt?
Kein Fall in der eigenen Familie hatte mich darauf vorbereitet, meine Informationen zum Thema beliefen sich auf eine magere Seite Text in einem Schwangerschafts-Ratgeber.

Kann man da was machen?

Man kann, so die Botschaft einer kundigen Hebamme. Und fortan bog ich meinen kugelrunden Bauch zur "indischen Brücke" und ließ mir von meinem Mann mit qualmenden Zigarren die Füße ankokeln. Moxibustion heißt das geheimnisvolle Verfahren, das das Kind zum Purzelbaum animieren soll. Doch meines hatte es sich bereits bequem gemacht und rührte sich nicht. Na, warte, dann gebrauche ich Gewalt.

Äußere Wendung

Es klingt nicht eben spektakulär. Eine Infusion, ein paar geübte Handgriffe, schon liegt das Baby richtig und alles wird gut - jedenfalls oft. Bei mir leider nicht. Vier Stunden Warten mit nüchternem Magen, ein von den Wehenhemmern verursachter rasender Puls und eine Ärztin, die anscheinend versucht, meine Bauchdecke mit der bloßen Hand zu perforieren. Alles in allem, ein schnell vergessener Spuk, der immerhin das Gefühl hinterlässt, wenigstens alles probiert zu haben.

Bleibt nur der Kaiserschnitt?

Chor der Freunde: "Was da alles passieren kann! Beim Kaiserschnitt bestimmst du wenigstens selbst, wann du ihn machen lässt. Bist Du nicht viel zu schmal und zierlich für eine Steißlagengeburt?" Stimme der Medizin: "Der Kaiserschnitt ist riskanter für die Mutter, die Steißlagengeburt für das Kind." Es hilft alles nichts, entscheiden muss ich mich wohl selbst - und ich entscheide mich, indem ich die Entscheidung verschiebe. Wenn´s losgeht, wird man ja sehen...

Bei Nacht und Nebel

Aufbruch ins Krankenhaus nachts um halb drei, Wehen im Dreiminutentakt, Business as usual also. Noch einmal wird per Ultraschall der Kopfumfang des kleinen Sesshaften in meinem Bauch gemessen, der Weg ist frei. Acht Stunden lang atme ich starke Wehen weg, dann hilft nur noch die Rückenspritze. Ein Segen, die moderne Medizin.

Kopf steckt fest

Auf in die letzte Runde: Noch drei lange Stunden am Wehentropf, dann geht es Schlag auf Schlag. Ein ungeheurer Druck nach unten, die Fruchtblase platzt, der Puls des Babys scheint zu stocken. Helfende Arme haben mich auf den Gebärhocker gehievt, der Chefarzt spricht beruhigend auf mich ein. Irgendwas kommt aus mir heraus, die Beine, die Arme, dann spüre ich, wie der Kopf des Kindes an mein Becken stößt. Stillstand - das Kind steckt fest. Weiter, weiter. Eine Wehe, zwei Wehen, ein Ruck: Der Kopf ist durch. Ziemlich geschafft sieht er jetzt aus, der kleine Dickkopf; etwas blau, ein Haupt wie Nofretete und statt Geschrei, nur klägliches Wimmern.

Halleluja

Andrej* ist heute acht Jahre alt, eigenwillig, fröhlich, keck. Von seinem "verkehrten" Start ins Leben ist nichts geblieben. Am Anfang ein etwas verformter Schädel, und die sich bald verlierende Eigenart, seine gestreckten Beine beim Wickeln bis zum Kopf hochzuklappen. Als er noch kleiner war, sang er am liebsten in den höchsten Tönen "Halleluja". Die Story seiner Geburt werden noch meine Enkelkinder zu hören kriegen...

 

*Name geändert