Zwiemilch

Stillen und Flasche - geht das?

Die Seiten, fast könnte man sagen, die Fronten, scheinen klar: Die einen favorisieren Muttermilch, die anderen die Flasche. Das jeweils andere geht auf keinen Fall. Doch einige Eltern schwören auf die Vorteile von beidem, die Zwiemilch.

Autor: Gabriele Möller

Glücklich zwischen den Stühlen: die Zwiemilch-Ernährer

Flasche vom Vater

Ein Vater gibt seinem Kind das Fläschen.

Foto: © iStock, mapodile

Abseits der Diskussionen entschiedener Verfechterinnen des Vollstillens oder der Flasche hat sich in aller Stille längst eine dritte Gruppe gebildet: diejenigen Eltern nämlich, die das eine tun und das andere nicht lassen möchten. Hier stillt die Mutter zwar, doch füttern die Eltern ihr Baby zusätzlich mit der Flasche.

Es gibt viele Gründe, warum eine stillende Mutter zusätzlich auch Milchnahrung füttert. Manchmal geschieht das unfreiwillig: "Ich habe drei Monate voll gestillt und muss jetzt leider zufüttern, weil mein Sohn die Muttermilch immer noch in großem Schwall ausspuckt. Ich gebe zuerst zehn Minuten lang die Brust, jede Seite fünf Minuten lang. Anschließend bekommt er Prénahrung. Und erstaunlicherweise verträgt er diese Mischung besser als vorher nur die Muttermilch. Er hat kein Bauchweh mehr und spuckt nicht mehr", berichtet eine Mutter in einem Online-Stillforum.

Auch bei Frühchen entscheiden sich Frauen manchmal für die zusätzliche Flaschennahrung: "Meine Tochter war eine Frühgeburt. Die ersten zwei Monate habe ich abgepumpt, bis sie endlich ihre Saugschwäche überwunden hatte. Die Milchmenge hätte vielleicht gereicht, wenn sie von sich aus an der Brust getrunken hätte. Aber nur mit Abpumpen ist das sehr schwer, deshalb gebe ich zusätzlich die Flasche", berichtet eine andere Mutter.

Flasche kann mehr Freiraum verschaffen

Manche Eltern nutzen die ergänzende Flaschennahrung aber auch ganz freiwillig. Zum Beispiel, weil die Mutter nachts auch einmal durchschlafen oder abends gelegentlich weggehen möchte und der Vater oder eine andere Person in dieser Zeit das Füttern übernehmen soll. Oder weil sie wieder berufstätig sein will oder muss: "Weil ich wieder arbeiten gehe, bin ich für einige Stunden nicht verfügbar. In dieser Zeit nimmt meine Kleine (fünf Monate) das Fläschchen von der Oma ", berichtet eine Mutter in einem Stillforum, "und wenn ich zu Hause bin, wird gestillt. Das klappt super!"

Nicht wenige Mütter und Väter geben ihrem Kind auch vor allem abends ein Fläschchen, weil sie die Erfahrung machen, dass es dann länger satt ist und sich nachts weniger oft meldet.

Zwei Milchsorten - nicht für jeden Babybauch geeignet

So unterschiedlich wie die Gründe für die Zwiemilch-Ernährung sind aber auch die Babys. Nicht jedes verträgt die beiden unterschiedlichen Milcharten. "Ich habe vor kurzen zwangsläufig die Zwiemilch-Ernährung ausprobieren müssen. Denn mein Sohn hatte mit dreieinhalb Monaten eine Operation wegen seiner Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Er hat aber von der Kombination der Milcharten schlimme Bauchschmerzen bekommen, das ging gar nicht. Ich bin dann ganz auf Flasche umgestiegen, weil ihm das etwas anstrengendere Saugen an der Brust noch weh tut", berichtet eine Forumsteilnehmerin.

"Man muss einfach schauen: Wie geht es meinem Kind mit der Fertignahrung, mag es sie, und verträgt es sie auch?", rät Hebamme Renate Egelkraut. Nicht nur die Zwiemilch-Mischung, auch die Fertignahrung selbst kann dabei für Probleme sorgen. "Manche Babys mögen schon den Geschmack der Milchnahrung nicht oder lehnen die Flasche selbst ab." Eltern müssten auch damit rechnen, dass Babys Ausscheidungen sich verändern. "Der Stuhl hat eine andere Farbe oder stinkt. Der Darm mancher Babys kommt mit der Fertignahrung auch gar nicht zurecht, sie bekommen Schmerzen."

Der Zwiemilch-Mix hat auch, wenn er gut vertragen wird, Auswirkungen: Wenn ein Baby zusätzlich zur Muttermilch industrielle Säuglingsnahrung bekommt, reagiert sein Darm so, als ob es ausschließlich die Flasche bekäme: Wissenschaftler beobachteten, dass die Darmflora und das so genannte Darmverhalten (Stuhl, Stuhlhäufigkeit) von Zwiemilch-Babys dem von voll mit der Flasche ernährten Säuglingen entspricht.

Geht die Muttermilch vom Zufüttern zurück?

Wenn ein Stillkind zusätzlich die Flasche bekommt, kann die Muttermilchmenge dadurch zwar zurückgehen. "Ich habe meine Tochter insgesamt sieben Monate lang gestillt und zugefüttert. Das hat zuerst gut geklappt, doch danach hat sie sich selbst abgestillt. Wahrscheinlich 'lohnte' sich die Muttermilch nicht mehr für sie, denn ich hatte das Gefühl, dass die Milchmenge inzwischen leider recht klein geworden war", berichtet eine Forumsfrau. Doch dies muss nicht der Fall sein: "Ich füttere zu, seit meine Tochter fünf Wochen alt ist, weil ich das Gefühl hatte, zu wenig Milch zu haben. Und auch wenn es meine Hebamme verwundert hat: Aber ich habe durch das Zufüttern eher mehr Milch bekommen. Ich musste die tägliche Anzahl der Fläschchen in den letzten acht Wochen nicht erhöhen", berichtet eine andere Mutter zufrieden.

Kann Zwiemilch zur Saugverwirrung führen?

Die Saugverwirrung wird oft unterschiedlich definiert. Meist ist gemeint, dass ein Kind, dem zugefüttert wird, den Flaschensauger gegenüber der Brust bevorzugt und die Brust ablehnt. Diese Gefahr können Eltern reduzieren durch Einloch-Sauger, der der Brust nicht so viel Konkurrenz macht, weil das Kind sich beim Saugen auch hier etwas bemühen muss. Außerdem sollte nicht in den ersten vier Wochen zugefüttert werden, damit das Kind zuerst stabil an der Brust zu trinken gelernt hat. Ist ein früheres Zufüttern notwendig, empfehlen viele Hebammen statt der Flasche lieber die Fütterung mit einem Becherchen, mit dem winzigste Milchmengen (immer so viel, wie das Baby schlucken kann, ohne sich zu verschlucken) in den Mund des Babys gegeben werden.

"Die sogenannte Saugverwirrung ist aber meist kein Problem, das nur mit dem Flaschensauger zu tun hat. Nach meiner Erfahrung hakt es in diesen Fällen irgendwo im ganzen System aus Eltern und Kind", erläutert Hebamme Egelkraut aus Köln. "Oft ist in der Kommunikation mit dem Kind Stress oder eine Art Kampfsituation entstanden. Man muss daher schauen, wie wieder Ordnung in die Beziehung kommen kann. Manchmal reicht es, Störungen in der Umgebung, wie Lärm und Unruhe auszuschalten. Das Stillen oder auch Füttern eines Babys ist ein sehr intimer Moment. Ein Dialog, der Vertrauen und Ruhe braucht." Eltern und Kind müssten sich dabei auch Zeit nehmen, sich allmählich kennenlernen, in Kontakt miteinander kommen. Sogar Ratschläge von außen könnten hier stören, so die Kölner Hebamme.

Zwiemilchernährung - so klappt sie am besten

Manche der Hürden, die bei der Zwiemilchnahrung auftreten können, lassen sich auch vermeiden. Wenn Eltern sich für die Zwiemilch entscheiden, sollten sie deshalb einige Dinge beachten:

  • Ist die Mutter zur Babymahlzeit anwesend, sollte sie möglichst immer zuerst stillen (mit beiden Brüsten), und erst dann das Fläschchen geben. Das Stillen darf dabei nicht zu kurz dauern, damit nicht nur die durstlöschende Vordermilch, sondern auch die gehaltvollere Hintermilch getrunken wird. Auch die Milchbildung wird so stärker angeregt.
  • Wie Eltern das erste Mal mit der Flasche starten können, hängt vom Kind ab: "Bei manchen Babys klappt das besser, wenn sie eine besonders wache und experimentierfreudige Phase haben, bei anderen ist es leichter, wenn sie gerade schläfrig sind", so Hebamme Egelkraut.
  • Für die Flasche nehmen Eltern am besten Prémilch oder HA Prémilch, denn sie ist der Muttermilch am ähnlichsten.
  • "Der Flaschensauger sollte eher klein und möglichst brustähnlich geformt sein, also nicht abgeflacht", rät Renate Egelkraut. Er sollte zudem nur ein Loch besitzen, damit das Kind sich beim Saugen etwas anstrengen muss, ähnlich wie an der Brust. Sonst wird das Saugen an der Flasche zu bequem und attraktiv, was zur Verweigerung der Brust ("Saugverwirrung") führen kann.
  • In den ersten sieben Lebenstagen entwickelt sich eine bestimmte, sehr saure Darmflora beim Kind. In dieser Phase sollte keine künstliche Säuglingsmilch gegeben werden, weil sie diese wichtige Entwicklung stört.
  • Zufüttern sollten Eltern erst, wenn sich die Brust harmonisch auf die Nachfrage eingestellt hat, also z. B. nicht mehr zu prall ist. "Das ist oft nach vier bis sechs Wochen der Fall", erläutert Geburtshelferin Egelkraut. Auch soll das Stillen möglichst schon unkompliziert verlaufen, bevor man ans Zufüttern denkt. Denn wenn ein Baby routiniert an der Brust trinken kann, beugt auch dies einer Saugverwirrung vor.
  • Der Flaschensauger sollte dem Kind nicht direkt in den Mund gegeben werden, sondern Eltern können mit der Saugerspitze die Unterlippe ihres Babys berühren, ähnlich wie es vor dem Stillen mit der Brustwarze geschieht. "Dies löst am besten das optimale Umgreifen des Saugers durch Babys Mund aus", erläutert Renate Egelkraut.
  • Damit die Flasche - ähnlich wie die Brust - gut nach Mama riecht, können Eltern sie mit einem Tuch oder Kleidungsstück umwickeln, das die Mutter zuvor auf der Haut getragen hat.
  • Der Hauptanteil der Nahrung sollte Muttermilch sein, nur der kleinere Teil Flaschenmilch, damit die Milchbildung nicht zu stark gebremst wird.