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Liegen müssen bei Frühgeburtsrisiko

Bettruhe in der Schwangerschaft

Besteht z.B. durch vorzeitige Wehen oder eine Gebärmutterhalsschwäche ein Frühgeburtsrisiko, kann es notwendig sein, dass eine Schwangere Bettruhe halten muss. Wie geht man damit um? Was sollten Frauen, die liegen müssen, beachten? Welche Hilfen stehen Schwangeren in einer solchen Situation zu?

Autor: Kathrin Wittwer

Bettruhe für Schwangere: Warum sie manchmal wichtig ist

Bettruhe
Foto: © iStock, Adene Sanchez

Blutungen, vorzeitige Wehen, Gebärmutterhalsschwäche: Das sind die häufigsten Anlässe, die Frauen im Laufe einer Schwangerschaft zur Bettruhe zwingen können, um eine Fehl- oder Frühgeburt zu vermeiden. „Jede vierte Frau hat bereits in der frühen Schwangerschaft Blutungen, zum Beispiel wegen eines Hämatoms oder einer Plazenta praevia“, sagt Dr. Christian Albring, Frauenarzt in Hannover und Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte Deutschlands. Später in der Schwangerschaft sind es meist vorzeitige Wehen oder eine Gebärmutterhals- bzw. Muttermundschwäche (Cervixinsuffizienz), die eine oft wochen- oder gar monatelange Bettruhe nötig machen, um eine Frühgeburt zu vermeiden. „Die Probleme können verschiedene Ursachen haben, wie eine frühere OP oder eine Veranlagung für ein schwaches Bindegewebe“, so der Arzt. „Häufig steckt allerdings auch Stress dahinter.“ Studien belegen, dass psychosomatische Gründe wie Partnerschaftsprobleme, ein stressiger Beruf oder starke, oft unbewusste  Ängste bezüglich der Schwangerschaft eine gewichtige Rolle bei Frühgeburten spielen.

Experten-Video: Was bedeuten vorzeitige Wehen?

 

Haushalt und Kinder: Wer kümmert sich, wenn Mama liegen muss?

„Der erste Schritt ist, die Schwangeren zu entlasten“, sagt deshalb die Hebamme Ursula Jahn-Zöhrens aus Bad Wildbad im Schwarzwald. Für den Körper bedeutet dies primär: Bettruhe. „Im Liegen werden die Organe entlastet und der Blutdruck sinkt. Das lässt auch Blutungen zurückgehen“, erklärt Dr. Albring. Bei vorzeitigen Wehen werden gegebenenfalls zusätzlich Wehenhemmer eingesetzt. Ob eine Schwangere im Krankenhaus liegen muss oder daheim bleiben kann, hängt unter anderem davon ab, wie gravierend die Probleme sind, ob interveniert werden muss, wie groß das Risiko einer Frühgeburt ist und wie weit die Schwangerschaft fortgeschritten ist. „Sofern es medizinisch nicht notwendig ist, in der Klinik zu sein und wenn man daheim gut versorgt wird, ist man in den eigenen vier Wänden am besten aufgehoben“, meint Dr. Albring. Das sieht auch Ursula Jahn-Zöhrens so. Ebenso wie der Frauenarzt hat sie die Erfahrung gemacht, dass, obwohl es paradox klingt, gerade Mütter mit kleinen Kindern zu Hause meist ruhiger sind: „Im Krankenhaus machen sie sich oft die ganze Zeit nur Sorgen um die Kleinen.“ Voraussetzung ist, dass die Schwangere vernünftig genug ist, sich wirklich an die Bettruhe zu halten, und das ist mit Kindern alles andere als einfach, wie auch „kisha88“ um urbia-Forum berichtete: „Mein Großer […] war erst sauer auf Baby und mich, dass ich nicht mehr so aktiv wie vor der Schwangerschaft mit ihm spielen und toben konnte. Ich hab dann, weil es mir selbst das Herz zerriss, eine Matratze in sein Zimmer gelegt und lag dann so bei ihm um mit ihm so zu spielen zu können. Inzwischen hat er Freude an mir und dem Baby und kommt von selbst mit Spielsachen zum Sofa oder zum Bett und wir kuscheln viel oder er erzählt mir aus den Büchern und solche Dinge eben.“

Die Hausarbeit ist für viele Liegende ebenfalls ein Problem: Bei kleinsten Kleinigkeiten um Hilfe bitten zu müssen, fällt schwer. Zwischen Familie, Freunden und netten Nachbarn lässt sich aber, auch wenn es Überwindung kostet, doch so einiges aufteilen. „Es ist bei gesetzlich Versicherten sogar möglich, dass der Mann sich krankschreiben lässt, um sich daheim zu kümmern“, sagt Hebamme Jahn-Zöhrens. Alternativ dürfen sich gesetzlich Versicherte vom Arzt eine Haushaltshilfe verordnen lassen, bis zu acht Stunden am Tag, bis zur 38. SSW – sofern keine andere Person den  Haushalt führen kann oder wenn Kinder im Haus sind. Vielleicht ist es auch machbar, für eine gewisse Zeit bei Geschwistern oder den Eltern einzuziehen, um sich im Nest der Familie verwöhnen und bemuttern zu lassen.

Zuspruch und Fürsorglichkeit: Was außer Liegen noch wichtig ist

Neben der körperlichen Entlastung braucht bei einer Diagnose wie vorzeitigen Wehen auch die Psyche unbedingt Hilfe. „Alle Schwangeren reagieren auf die Drohung einer möglichen Frühgeburt natürlich verunsichert und ängstlich, manche mit totaler Panik“, weiß Hebamme Jahn-Zöhrens aus 25 Jahren Berufserfahrung. Und wer liegt, bekommt erst recht Gelegenheit zum Grübeln: „Ich wünschte nur, ich würde mich nicht wegen allem und jedem so verrückt machen“, schrieb urbia-Nutzerin „blumenkeks“ dazu im Forum. Sie „habe echt zuviel Zeit, um sinnlos in mich hineinzuhorchen. Da ziept es im Rücken oder der Bauch wird hart – was macht mein unterfordertes Gehirn...malt sich natürlich aus, dass es Wehen sind.“ Auch das schlechte Gewissen und die Frage, was falsch gelaufen ist, quält viele. Hier ist die Unterstützung von Familie und Freunden wie auch der Hebamme gefragt, sagt Ursula Jahn-Zöhrens: „Die Mütter haben viel Gesprächsbedarf, brauchen Zuspruch und jemanden, der ihnen Mut macht.“ Regelmäßige Entspannungsübungen wie Autogenes Training können helfen, ruhiger zu werden. Ebenso ist hierfür der Einsatz alternativer Heilverfahren überlegenswert, stimmen Dr. Albring und Jahn-Zöhrens überein – wie auch darin, dass Globuli und Co. nicht in Eigenregie genommen werden, sondern die Auswahl des richtigen Mittels durch einen Experten erfolgen sollte. Grundsätzlich steht den werdenden Müttern auch psychotherapeutische Hilfe zu. 

Richtig und wichtig, aber nicht immer nur ein Trost: Es ist doch für’s Baby!

„Stress reduzierend auf Mütter wirken außerdem Maßnahmen wie die Lungenreifespritze, die das Baby auf eine mögliche frühe Entbindung vorbereiten“, sagt Dr. Albring. „Das ist oft eine Beruhigung, weil sich die Mütter dadurch weniger Sorgen um das Kind machen.“ Und dessen Wohlergehen steht für alle im Vordergrund. So ist „Halt durch, es ist doch für das Baby!“ der wohl häufigste Spruch, den liegende Schwangere zu hören bekommen und sich selbst immer wieder sagen. „Der Gedanke, dass ich das Ganze für mein Baby tue hält mich über Wasser […]. Ich würde es mir auch nie verzeihen, wenn er aufgrund meiner mangelnden Fürsorge einen schlechten Start ins Leben hätte“, schreibt „blumenkeks“. Bei aller Kraft und Motivation, die dieser zweifelsohne höchst berechtigte Gedanke geben kann, sollten aber weder die Schwangeren noch Familie und Freunde vergessen: Mama ist mehr als ein Brutkasten. Sie ist immer noch ein Mensch mit eigenen Bedürfnissen, die durch das Liegen radikal beschnitten werden. Damit das nicht zusätzlichen Stress schafft, darf sie nicht das Gefühl bekommen, ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, weil sie sich nicht nur fürs Kind, sondern auch für sich selbst Fürsorge wünscht. Dazu gehört, „nicht immer nur von der problematischen Schwangerschaft zu reden und die Mutter darauf zu reduzieren“, betont Ursula Jahn-Zöhrens. „Das heißt auch, die  Geburtsvorbereitung sollte ganz normal weiterlaufen.“ So bekommen die Mütter das stärkende Gefühl, dass alles einen guten Ausgang nehmen kann.

Wie kriegt man die Langeweile in den Griff?

Egal wo man liegt: Auf Dauer kann das Liegen nicht zuletzt ziemlich langweilig sein. Viele nutzen die Zeit, um in Ruhe Bücher über Bücher zu lesen, das Heimkino auszureizen, lang vermissten Freunden zu schreiben, mit ihnen zu telefonieren oder sich besuchen zu lassen, sich im Internet mit Schicksalsgenossinnen auszutauschen, zu malen, zu rätseln, Spiele zu spielen, den Nestbautrieb wenigstens mit Online-Bestellungen von  Babyausstattung zu befriedigen oder per Handarbeit selbst welche zu produzieren. Und nach Herzenslust zu schlafen. Auch zum Schreiben lässt sich die Ruhe gut gebrauchen, sei es für ein Tagebuch oder einen Brief ans Baby, mit allen Wünschen, die man für seine Zukunft so hegt. Das Zwiegespräch mit dem kleinen Untermieter tut Mama und Kind immer gut – vielleicht haben Hebamme oder Frauenarzt sogar Erfahrungen mit Haptonomie.

Es ist allerdings illusorisch zu hoffen, dass Langeweile und Frust sich durch Ablenkungsmanöver immer vermeiden lassen. Das gilt gerade bei wochenlanger Bettruhe und umso mehr für Krankenhausaufenthalte, bei denen man die täglichen Routinen, die Zimmernachbarn und deren Gäste, eigene besuchslose Tage und noch weniger Beschäftigungsmöglichkeiten zu ertragen hat. Nicht alles lässt sich schönreden, mit manchen Dingen muss man leider einfach leben, sich in Geduld üben – und versuchen, nach vorn zu schauen: „Eine schöne Schwangerschaft ist anders aber wir holen das alles nach wenn die Krümel auf der Welt sind“, machte sich „hexe12-17“ im Forum Mut.

Was gibt es noch zu beachten?

Wer liegt, hat nicht nur gegen Langeweile zu kämpfen, sondern auch gegen Muskelabbau und Thrombosegefahr. In der Klinik gibt es dafür Physiotherapie, daheim zeigt die Hebamme verschiedene Übungen, die im Wesentlichen aus abwechselndem An- und Entspannen von Körperteilen bestehen, um die Muskeln in Bewegung zu halten. Der Arzt kann zudem Kompressionsstrümpfe verschreiben. Abgesehen davon bekommen Schwangere als Wehenhemmer oft  Magnesium verabreicht. „Das wirkt entspannend auf die Muskulatur, damit lässt der Druck nach“, erklärt Frauenarzt Albring. Eine Nebenwirkung kann sein, dass die Verdauung ebenfalls „entspannt“, also der Darm träge wird. „Wichtig ist, viel zu trinken. Und immer auf die Toilette gehen, wenn man muss, es nicht herausschieben, weil das Fernsehprogramm grad interessanter ist.“

Wann darf man wieder aufstehen?

Ob und wann eine Schwangere wieder aufstehen kann, ist sehr individuell. Bei Blutungen in der Frühschwangerschaft gilt laut Dr. Albring: „Gab es drei Tage hintereinander keine Blutungen, kann die Frau in der Regel langsam wieder aufstehen.“ – erst einmal im Schongang. Bei Gebärmutterhalsschwächen wird regelmäßig kontrolliert, wie stabil der Muttermund ist und die Bettruhe gegebenenfalls gelockert. Endgültig Entwarnung gibt es gewöhnlich nach der 37. SSW, nach der ein Baby nicht mehr als Frühchen gilt, auch wenn es vor dem errechneten Termin zur Welt kommt.