Für Kinder der „Türöffner zur Welt"

So wichtig sind Väter!

Berufstätige oder auch getrennt lebende Väter sind im Alltag ihrer Kinder oft immer noch wenig präsent. Doch Mädchen und Jungen brauchen ihren Vater dringend – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Lies deshalb hier, warum gerade Väter so wichtig für ihre Kinder sind.

Autor: Gabriele Möller

Ohne Vater gerät die Welt in Schieflage

Vater Sohn Tochter toben
Foto: © iStockphoto/ snapphoto

„Ich habe den ganzen Tag Stress im Job – da kann ich mich nicht auch noch um die Kinder kümmern!“ – zwar werden Väter, die so denken, allmählich weniger. Trotzdem ist es immer noch in vielen Familien Alltag, dass die Mutter den Löwenanteil bei der Betreuung und Erziehung der Kinder übernimmt – und zwar auch dann, wenn sie ebenfalls berufstätig ist.

Dass diese Rollenklischees noch lange nicht überwunden sind, legt auch die aktuelle Working-Mom-Studie 2017 nahe. Von 1.000 befragten Müttern fühlt sich ein Drittel trotz Partner alleinerziehend. Weitere 33 Prozent empfinden den Mann an ihrer Seite sogar regelrecht als weiteres Kind. Nicht selten führt das Frauen an ihre Grenzen. Sie wünschen sich einen Teamplayer an ihrer Seite und eine aktive Vaterschaft – ohne ständiges Aushandeln. die Frauen sehen aber auch ihren Anteil: Jede zweite Befragte gab an, familäre Aufgaben letztendlich lieber selbst zu übernehmen, bevor sie sich mit dem Partner darüber auseinandersetzt. 

Für die Kinder ist vor allem die Unausgewogenheit in der Erziehung fatal, wie Diplom-Sozialpädagoge Achim Schad betont. Denn findet der Vater zu Hause zu wenig statt, gerät das Leben der Kinder leichter in eine Schieflage. „Mädchen reagieren sozial unauffälliger, da die Folgen eher in psychosomatischen Beschwerden oder depressivem Verhalten sichtbar werden." Als junge Frauen würden sie häufiger ungewollt schwanger und öfter Opfer von sexuellen Übergriffen, da sie mit männlichen Forderungen nicht souverän umgehen könnten, so Schad in einem Vortrag. Auch hätten sie es oft schwer, positive, lang andauernde Beziehungen einzugehen. „Sie pendeln zwischen Idealisierung des Mannes und Verachtung, da der Idealisierung notwendigerweise die Enttäuschung folgt."

Nachwirkungen bis ins Erwachsenenalter

Jungen, deren Väter zu wenig Anteil an ihnen nehmen, reagieren anders. „Jungen idealisieren dann oft männliche Attribute wie körperliche Stärke, Kampfbereitschaft, Siegeswillen", so der Sozialpädagoge. Da ihnen männliche Bezugspersonen als Vorbilder fehlten, bei denen Stärke mit liebevoller Zuwendung, Verständnis und Interesse verbunden würden, fielen sie oft durch schwieriges Sozialverhalten oder Regelverstöße auf. Als Erwachsene täten sie sich oft schwer, liebevolle und gleichwertige Beziehungen mit Frauen einzugehen. „Der Zugang zu den eigenen Gefühlen ist erschwert. Die Nähe zu Frauen wird als bedrohlich erlebt, emotionale Hingabe ist nicht möglich, die Beziehung ist von Machtgebaren und Imponiergehabe geprägt." Auch hätten diese Männer oft eine nur geringe Bindung an ihre eigenen Kinder.

Natur plant Väter bei der Erziehung fest ein

Auch die Natur selbst hat für Väter keineswegs nur die Erzeuger- und Versorgerrolle bestimmt. Werden Männer zu Vätern, steigt der Spiegel des Hormons Oxytocin in den folgenden Monaten in ihrem Blut deutlich an, so das Ergebnis einer israelischen Studie. Dieses Hormon aber bewirkt, dass Männer einfühlsamer werden, sich dem Kind (besonders oft durch Spielen) zuwenden und dass Gefühle, die sie selbst als Kind hatten, wieder aktiviert werden. Auch bei Müttern steigt der Oxytocin-Spiegel, was sich bei ihnen aber eher in einem Gefühl der Bewunderung für das Baby, in Zärtlichkeit und einer typischen Singsangstimme äußert. „Väter und Mütter steuern also schon früh unterschiedlich zur kindlichen Entwicklung bei", fasst die Leiterin der Studie, die Psychologin Ruth Feldman aus Ramat-Gan, zusammen.

Väter stoßen Tore zur Welt auf

Väter prägen ihre Kinder also nicht erst, wenn sie mit ihnen Fußball spielen können. Hilft der Vater schon bei der Babypflege mit, bekommt er früh eine enge Bindung zum Kind und umgekehrt. Dabei zeigt er dem Baby und Kleinkind schon ein wenig die Welt – und zwar auf seine Weise: Väter bevorzugen, so beobachteten Wissenschaftler, Imitations- und Bewegungsspiele, während Mütter mehr mit den Kindern sprechen.

Sind Mütter oft eher vorsichtig und besorgt, trauen Väter ihrem Kind auch einmal etwas zu: Sie werfen schon das begeistert juchzende Baby spielerisch in die Luft. Und auch in der weiteren Kindheit ist Papa oft der große Mutmacher: „Mein Vater schaffte es, dass ich das erste Mal vom Fünfmeter-Brett im Schwimmbad sprang. Da war ich zwölf, und ich stand ewig da oben und traute mich nicht, während er mir von unten Mut machte. Und dann hielt ich mir die Nase zu und sprang. Ich glaube, wir gingen hinterher beide gleich stolz nach Hause", erinnert sich Heike Fröhlich aus Wuppertal (37) an einen wichtigen Tag ihrer Kindheit.

Väter trauen Kindern aber auch mehr Eigenständigkeit zu: Forscher beobachteten, dass sie später eingreifen, wenn ihr Kind Ärger auf dem Spielplatz hat, oder noch nicht von der richtigen Seite ins T-Shirt findet. VomVater als „Türöffner der Welt" spricht daher Prof. Dieter Thomä („Väter. Eine moderne Heldengeschichte"). Dieser bringe eine besondere Farbe ins Spiel des Lebens, welche „für die Neugier, mit der man die Welt entdeckt steht. Aber auch für den unbedingten Schutz und Rückhalt, den man bei dieser Entdeckungsreise benötigt".

Warum Väter für Jungs und Mädchen wichtig sind

Mädchen: Vom Vater lernen, wie Männer ticken

Es ist dabei aber auch vom Geschlecht des Kindes abhängig, auf welche Weise sich der Einfluss eines engagierten Vaters auswirkt. So ist der Vater für ein Mädchen der erste Mann, zu dem sie eine enge Beziehung hat. An ihm kann sie beobachten, welche Verhaltensweisen Männer von Frauen unterscheiden, und kann damit umgehen lernen. In den Augen ihres Vaters könne das Mädchen die Wirkung ihres Verhaltens-Repertoires ablesen und abschätzen, wie sie bei anderen ankommt, erklärt Diplom-Psychologin Angelika Faas. „Im Umgang mit dem Vater liegt die Grundlage dafür, wie eine Frau sich später selbst einschätzt, aber auch, wie sie mit anderen Menschen zurechtkommt und welchen Männertyp sie mag", so Faas. Von ihm lerne sie außerdem, sich in der Männerwelt Respekt zu verschaffen.

Wichtig ist dabei, dass ein Vater zum Einen zeigt, dass er sehr wohl weiß, dass sein Kind nicht geschlechtslos, sondern ein Mädchen ist. Er sollte seiner Tochter also (vor allem in der beginnenden Pubertät) auch mal sagen, dass sie hübsch ist. Er sollte sie aber zugleich nicht wie eine Prinzessin behandeln, sondern ihr helfen, Geschlechter-Klischees zu überwinden: Er kann mit ihr zusammen ein Vogelhaus bauen, Reifen wechseln, heimwerken, in einem Steinbruch nach Fossilien suchen, ein Lagerfeuer am Flussufer machen, den Tag der Offenen Tür bei der Feuerwehr besuchen und bei Spaßkämpfen Kräfte messen.

Erfolgreiche Frauen haben meist engagierte Väter

Wissenschaftler konnten beobachten: Töchter, die erleben, dass ihr Vater sie mag und Zeit mit ihnen verbringt, haben ein besseres Selbstwertgefühl und weniger Ängste. Sie haben seltener Depressionen oder ein ungesundes Gewicht, nehmen seltener Drogen und sogar die Rate an Selbstmordversuchen ist geringer. Beruflich sind sie außerdem später erfolgreicher. Bei weiblichen Top-Managerinnen konnten amerikanische Forscher feststellen, dass diese meist einen Vater hatten, der Zeit für sie hatte und sie viel an „typisch männliche“ Aktivitäten (Angeln, Reiten, Jagen) beteiligte. Fast jeder dieser Väter hatte es wichtig gefunden, dass seine Tochter auch einmal etwas wagt, riskiert oder sich einer ungewohnten Herausforderung stellt.

Söhne: Väter wissen, was sie umtreibt

Die Geschlechterforschung fand heraus: Jungen haben mehr Interesse als Mädchen am Wettbewerb, am Kräftemessen, daran, wer größer, schneller, besser ist. Während Mütter hier oft bremsen („Es ist doch egal, wer zuerst an der Kindergartentür ist!“), verstehen Väter genau, was ihre Söhne umtreibt. Sie können sich daher über Erfolge ihres Nachwuchses ausgiebig mitfreuen, ihn bei Wettkämpfen (Sportverein) besonders gut anfeuern und bei Misserfolgen trösten. Besonders wichtig dabei: dass der Vater auch mal von eigenen Niederlagen als Junge berichtet. Zugleich können Väter aber auch besser (als die sowieso eher besorgen Mütter) vermitteln, wo die Risikofreude wirklich ein Ende haben muss: zum Beispiel bei gefährlichen Mutproben. Und erklären, warum es auch für coole Kerle manchmal mutiger ist, nicht mitzumachen.

Mit Vielseitigkeit gegen Rollenklischees

Auch bei ihren Söhnen sollten Väter immer wieder Rollen-Klischees überwinden. Natürlich darf ein Vater mit seinem Sohn ein „Männerhobby” pflegen wie Laufen, Fußball, Modellbau, etwas Sammeln. Zugleich sollten beide aber auch einen Kuchen zusammen fabrizieren können oder eine „Putz-Party“ in der Wohnung veranstalten. „Der Vater ist das leuchtende Vorbild, wenn sein Sprössling wissen will, wie Männer sind“, erklärt Dr. med. Andrea Schmelz. „Und je vielseitiger ein Papa ist, umso besser!“ Dies vermittle Jungen ein differenziertes Rollenbild, „denn sie erkennen: Den typischen Mann gibt es nicht. Ich habe die Wahl, mich zu entscheiden, wie ich sein will“, so die Journalistin und Ärztin.

Väter möchten mehr Zeit für die Kinder haben

Damit ein Vater aber auch Vater sein kann, braucht er Zeit. Und nicht immer sind es nur die Karrieristen unter den Männern, die davon zu wenig haben. Oft machen es der Chef oder die Erfordernisse des Jobs unmöglich, abends frühzeitig zu Hause zu sein. Viele Männer würden heute gern mehr Zeit mit der Familie verbringen: 60 Prozent haben den Wunsch, dafür ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Das ergab der „Monitor Familienleben“, den das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Bundesfamilienministerium im Jahr 2010 erhob.

Dass es ihnen mit diesem Wunsch auch Ernst ist, zeigt der Zuspruch der Väter beim Elterngeld. Mit 21 Prozent nimmt jeder fünfte Vater die Elternzeit in Anspruch, wenn auch meist nicht so lange wie eine Frau (das noch bis 2006 gezahlte Erziehungsgeld wurde nicht einmal von vier Prozent der Väter genutzt). Auch beim Kinderkrankengeld zeigt sich die wachsende Bereitschaft der Männer, sich für ihr Kind einzusetzen (das Kinderkrankengeld überbrückt den Verdienstausfall bei der Pflege eines erkrankten Kindes): Die Techniker Krankenkasse beobachtete bei den Vätern als Antragsteller einen Anstieg von rund 18 Prozent im Jahr 2005 auf über 22 Prozent im Jahr 2009.

Guter Vater trotz Stress

Doch auch diejenigen Väter, die beruflich sehr eingespannt sind, können gute Väter sein. Wer spät heimkommt, kann es übernehmen, die Kinder ins Bett zu bringen, ihnen vorzulesen, etwas zu singen, noch ein wenig mit ihnen zu toben. Schlafen die Kinder schon, kann der Vater vielleicht die morgendliche „Weckrunde“ übernehmen, beim Anziehen helfen, mit den Kindern frühstücken und über alles sprechen, was am Tag für sie ansteht. Am Wochenende oder im Urlaub können Familien-Unternehmungen, aber auch gelegentliche Vater-Kind-Aktionen eingeplant werden, bei denen der Papa allein mit dem Nachwuchs etwas unternimmt: Zelten, eine Fußballfreizeit oder eine Nachtwanderung mit Sternbilder-Gucken. So sieht ein Kind: Ich bin dem Papa wichtig, auch wenn er viel Arbeit hat.

Getrennt lebende Väter

Manchmal ist es aber auch die Trennung von der Mutter der gemeinsamen Kinder, die Väter vom Alltag ihrer Kinder entfernt. Zu Beginn eines Scheidungsverfahrens wünschen sich noch 85 Prozent der Väter ein gemeinsames Sorgerecht und in den Alltag des Kindes stark mit eingebunden zu werden. Doch nach der Trennungsphase haben nur noch 52 Prozent von ihnen häufigen Kontakt zu ihrem Kind, 18 Prozent weniger häufigen bis seltenen, und 30 Prozent gar keinen Kontakt mehr, wie die Universität Bremen in einer Studie feststellte.

Väter sollten also das gemeinsame Sorgerecht auch nutzen – und Mütter sie immer wieder in wichtige Entscheidungen mit einbeziehen. Selbst bei denjenigen Vätern, die ihre Kinder häufig sehen, fühlen sich etwa zwei Drittel von wichtigen Entscheidungen im Leben ihrer Kinder ausgeschlossen, so die Bremer Forscher. Zwei Aspekte seien dabei ausschlaggebend: Zum Einen spiele die soziale Lebenslage der Männer eine wichtige Rolle: Männer mit schlechtem Einkommen und niedrigem Bildungsstand fühlten sich im Trennungskonflikt oft machtloser und gerieten auch als Vater öfter in eine passive Rolle. Zum anderen hänge der Einfluss des Vaters stark davon ab, ob die Getrennten auch weiterhin miteinander im Gespräch blieben.

Mehr Rechte für ledige Väter

In einer besonders schwierigen Situation sind getrennt lebende ledige Väter: Nach der noch bestehenden Gesetzeslage können sie nur dann das Sorgerecht erhalten, wenn die Mutter des Kindes zustimmt und beide eine gemeinsame Sorgeerklärung abgeben. Das Bundesverfassungsgericht hat aber im August 2010 entschieden, dass die mangelnde Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung, ob die gemeinsame Sorge der Eltern dem Kindeswohl tatsächlich (nicht) entspricht, verfassungswidrig ist. Es sei zwar rechtens, dass zunächst der Kindsmutter die Entscheidung über das Sorgerecht zusteht - nicht aber, dass der Kindsvater diese Entscheidung nicht anfechten kann. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger strebt eine Gesetzesänderung an, die die Rechte lediger Väter stärkt.

Doch auch, wenn kein gemeinsames Sorgerecht besteht, hat der ledige Vater ein Umgangsrecht – die Details dieses Umgangs müssen individuell ausgehandelt werden, hier macht der Gesetzgeber keine Vorgaben.

Seelenfaden zum Kind nie abreißen lassen

Wie auch immer die persönliche Situation ist – auch Besuchszeiten können vom Vater wahrgenommen und so gefüllt werden, dass der Seelenfaden zwischen beiden nicht abreißt. Dafür sollte ein Vater aber auch erreichbar sein: Wer viele hundert Kilometer wegzieht, hat naturgemäß weniger Möglichkeiten, engen Anteil am Leben seines Kindes zu nehmen. Ist dies aber unumgänglich, sollte im Urlaub und an den Wochenenden viel gemeinsame Zeit mit dem Kind verbracht werden, wobei häufige kürzere Treffen bereichernder sind als nur ein gemeinsamer Urlaub im Jahr.

Wenn es aber überhaupt keinen Kontakt mehr zum Vater des Kindes gibt (oder dieser nicht mehr lebt), kann auch eine andere männliche Bezugsperson dessen Rolle zumindest zum Teil übernehmen. Entwicklungspsychologen betonen, dass auch ein Pate, Onkel, Großvater, ein neuer Lebensgefährte oder sogar ein Fußballtrainer Vorbildfunkton haben können, wenn sie sich Zeit für das Kind nehmen. Da diese Männer meist weniger Gewicht im Alltag haben als ein Vater, ist es nicht verkehrt, wenn ein Kind gleich mehrere solcher Bezugspersonen hat.